John Williams: „Augustus“

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Auch ein Kaiser ist nur ein Mensch und muss erkennen, dass er am Ende allein sowie getrennt von allen anderen ist.

John Williams hat einen Briefroman geschrieben, der sich auf mehreren Ebenen lesen lässt. Das Werk ist ein Sammelsurium aus fast ausschließlich fiktiven Briefen, Notizen, Beschlüssen und Befehlen, die sich alle mit dem Leben des ersten römischen Kaisers Augustus beschäftigen. Das Werk ist ein historischer Roman und in Bezug auf die anderen Bücher von Williams scheint dieser, sein dritter Roman, entfernt zu sein von seinen eigentlich amerikanischen Themen. In „Stoner“ ist es das Leben eines Assistenzprofessors, der aus einfachen Verhältnissen kommt und sein Zuhause in der Universität findet. „Butcher´s Crossing“ handelt von einem gebildeten, jungen Menschen aus Boston, der seine Zuflucht in der Wildnis des amerikanischen Westen sucht. John Williams hatte nur vier Romane geschrieben und hatte zu Lebzeiten lediglich mit „Augustus“ Erfolg. „Augustus“ reiht sich sehr gut ein in das Gesamtwerk des Autors. Es ist die Karriere, der Lebensweg eines Mannes, der sich an die Spitze kämpft. Ein Mann, der die römische Welt und die Weltgeschichte geprägt hat. Aber dennoch bleibt dieser Alleinherrscher im Roman ein einfacher Mensch und am Ende schaut er selbst auf sein Leben zurück und kommt erstmalig selbst zu Wort. John Williams hat sich wohl einige Freiheiten genommen und betont auch, dass sein Buch über den Menschen, der einer ganzen Epoche seinen Namen gab, lediglich als ein literarisches Werk gesehen und gelesen werden sollte. Wir erlesen geschichtliche Dokumente, die fast alle der Phantasie des Autors entstammen. Die Verfasser dieser Schreiben sind, bis auf wenige Ausnahmen, tatsächliche historische Persönlichkeiten. Diese Schreiben setzen ein Puzzle, ein Mosaik zusammen und wir erleben in zwei angelegten Teilen im Buch den Aufstieg des Augustus und im zweiten Abschnitt die Folgen seines Erfolges. Richtet sich der Blick im ersten Teil auf die äußere Welt, so ist die Ansicht im zweiten Teil eher eine innere. Erst am Ende des Textes kommt Augustus selbst zu Wort und schildert seine Sicht und man erkennt, dass nicht alles, was man ihn ihm sah, gänzlich seine Sicht war oder wie er tatsächlich den Schmerz über den Verlust seines „Vaters“ wahrnahm.

Am Anfang schreibt Julius Cäsar an Atia, die Mutter von Gaius Octavius. Julius Cäsar plant den Lebenslauf seines Adoptivsohnes und sein Schreiben lässt keine Widerrede zu. Julius Cäsar, der das römische Reich ausweitete, adoptiert seinen Großneffen Octavius und erklärt ihn zu seinem Erben. Nach der Ermordung Cäsars ist die ganze Welt in Aufruhr. Das Testament, das Octavius als Nachfolger einsetzt, wird von vielen angezweifelt. Octavius ist neunzehn, wirkt schwächlich, sensibel und möchte ein Gelehrter werden. Seine Mutter bittet ihn, das Erbe nicht anzutreten. Um Octavius, der sich fortan Gaius Octavius Cäsar nennt, entsteht ein Spiel um die Macht. Verrat, Missgunst und Intrigen stehen der Loyalität und Freundschaft gegenüber. Octavius hat getreue Weggefährten aber auch viele Neider und Gegenspieler. Besonders jene, die im Bund mit den Mördern von Julius Cäsar stehen. Er schwört Rache für den Mord an Julius Cäsar und es kommt zu einem Bürgerkrieg. Römer kämpfen gegen Römer bis die Feinde immer weniger und vernichtet werden. Brutus, der vorerst geflohen war, dann aber ein Heer aufstellte, das jedoch geschlagen wurde, stürzt sich daraufhin in sein eigenes Schwert. Auch Marcus Antonius (Marc Anton) stellt sich letztendlich gegen Octavius. Antonius war ein Verbündeter Cäsars und nach dessen Ermordung bemühte er sich um Aussöhnung mit den Mördern, schlug sich dann aber auf die Seiten von Octavius. Antonius geht ein Bündnis mit der letzten Pharaonin, Cleopatra, ein und heiratet diese auch. Als Rom Ägypten den Krieg erklärt, kommt es zu einer Schlacht vor Griechenland und die ägyptische Flotte wird besiegt. Marcus Antonius und Cleopatra nehmen sich daraufhin das Leben. Nach diesem Sieg erhält Octavius den Ehrennamen Augustus. So verfolgen wir als Leser Octavius Werdegang zu Augustus, einem klugen, kämpferischen Herrscher, der aber auch als Förderer der Kunst gilt. So kommen auch Philosophen und Dichter neben den Freunden und Staatsmännern zu Wort. Es schreiben u.a. Marc Anton, Marcus Agrippa, Horaz, Marcus Tullus Cicero und Ovid. Im zweiten Teil gesellt sich unter anderem Augustus Tochter Julia hinzu und es werden die Folgen seines Erfolges beleuchtet: Macht und Schicksal.

Durch den Stil, die Geschichte durch Dokumente zu erzählen, hat man als Leser das Gefühl, eintauchen zu können in die antike römische Welt. Man nimmt Teil am Aufbau des Imperiums um Augustus und den römischen Frieden. Die Handlung ist als Roman zu verstehen, doch hat John Williams anscheinend sehr gut recherchiert. Die Sprache ist der damaligen Zeit entsprechend und dem jeweiligen Verfasser und deren jeweiligen Dokument angepasst. Bei der Übersetzung haben sich ab und zu Wörter eingeschlichen, die nur anfänglich störend auf mich wirkten, denn es sind meist Vokabeln aus dem Französischen, also Bezüge zu Begrifflichkeiten, die nach Augustus-Zeiten entstanden sind.

Mit diesem Buch beschäftigt man sich lange und sehr gerne. Im Anhang befinden sich eine Zeittafel und ein Überblick über alle wichtigen Figuren des antiken Rom. Durch diese Übersicht kommt man sehr schnell in einen Lesefluss und liest gebannt die Berichte der jeweiligen Protagonisten. Der Roman wurde 1973 mit dem National Book Award ausgezeichnet und trotz des historischen Hintergrundes ist der Inhalt sehr aktuell und man geht aus dieser Geschichte mit vielen neuen Eindrücken und Wissen hervor.

Für mich ist das Buch ein meisterhafter Leseschatz.

Auch das Hörbuch ist lohnenswert und sehr aufwendig umgesetzt. Die Lesung ist ungekürzt und sobald man in den Inhalt reingefunden hat und den Stimmen folgen kann, lauscht man dieser inszenierten Lesung unglaublich gerne. Die CD ist für mich neben dem Buch eine Bereicherung. Zu hören sind u.a. Christian Redl, Hanns Zischler, Jens Wawrczeck, Corinna Kirchhoff, Ulrich Noethen, Felix von Manteuffel.

Zum Buch & CD / Shop

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Ich wurde vom DTV-Verlag zu einer Blogtour eingeladen.

Die Blogtour:

Sabine Bovenkerk-Müller: Schreiblust Leselust Vergleich von Buch und Hörbuch

Nadine Schomakers: lovelybooks Die Übersetzung und Informationen zu Übersetzer Bernhard Robben

Julia GroßZimttraeumereien Die Frauen in ›Augustus‹

Hauke Harder: Leseschatz  Leseeindruck

Arndt Stroscher: AstroLibrium Interview mit Patricia Reimann (John Williams-Entdeckerin und Cheflektorin Literatur bei dtv)

7 Kommentare

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7 Antworten zu “John Williams: „Augustus“

  1. Bri

    Naja, ganz so stimmt das mit dem Erfolg zu Lebzeiten nicht. Stoner wurde durchaus immer wieder als großes Werk bezeichnet, allerdings hatte der Verlag wohl verpasst, dieses großartige Werk lieferbar zu halten … und so geriet es mehr und mehr in Vergessenheit, bis zu seiner glücklichen Wiederentdeckung 2006. Erfolg in breiter Streuung, der war ihm da wohl verwehrt, aber dass er nur mit Augustus tatsächlichen Erfolg gehabt hätte … da bin ich am Zweifeln 😉 Ich bin ein großer Williams Fan seit Stoner, hatte aber wegen Augustus Bedenken. Ob mich das Thema interessieren könnte? Nach der Rezi und dem tollen Hinweis auf die Blogtour sind diese allerdings wie weggefegt. Danke!

  2. Jenny Siebentaler

    Hallöchen 🙂
    Auch zum heutigen Beitrag möchte ich mich herzlichst bedanken und das Interesse mal etwas völlig anderes zu lesen wie hier die Printausgabe ist sicherlich eine Versuchung wert! 😉

    LG Jenny
    jspatchouly@gmail.com

  3. Bei mir ist das Buch gestern angekommen, ich freue mich schon auf das Lesen.

  4. Dein Beitrag macht sehr viel Lust auf das Buch. Ich habe mir jetzt das Hörbuch bestellt, weil mich die Umsetzung sehr interessiert.

  5. Pingback: John Williams – Augustus – LiteraturReich

  6. Pingback: Juan Gabriel Vásquez: „Die Gestalt der Ruinen“ | leseschatz

  7. Pingback: John Williams - Augustus - LiteraturReich - Rezension

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