Gabriele Kögl: „Brief vom Vater“

Ein Roman über Liebe, Bestätigung, Besitz und Verlust. Im Mittelpunkt steht der titelgebende Brief, doch die wahrhaftige Erkenntnis des Inhalts des Schreibens offenbart sich erst am Ende des Werkes. Ein gesellschaftskritischer Blick mit einem leichten, aber auch humorvollen und melancholischen Ton. Wir sind soziale Wesen und benötigen den familiären Halt. Auf diesem Lebensfundament bauen wir unsere Welt, unsere Geschäfte und unseren Alltag. Doch wenn die Hoffnung, die Bestätigung und der haltende Sockel wirtschaftlich und in den Beziehungen zerstört werden, verliert man alles.

Gleich am Anfang steht die Tat, der letzte Schritt, der aus einer emotionalen Ausweglosigkeit gegangen wird und die Frage aufwirft, warum er begangen wurde. Die Hauptfigur Rosa muss erneut einen Verlust ertragen und wird wieder emotional und materiell entwurzelt. Sie lebt in einer steierischen Kleinstadt und arbeitet als Friseurin. Aus ihrer ersten Ehe hat sie ihren Sohn Severin, der mit ihr ein renovierungsbedürftiges Haus bewohnt. Sigi, ihren ersten Ehemann, lernte sie als Schützenkönig kennen. Anfänglich war es Stolz, der die Liebe mitprägte. Doch keimte in der Beziehung die Langeweile und Rosa lernte im Freibad Klaus kennen, der vermögend und als selbstständiger Drogist in der Innenstadt tätig ist. Er vermietet Liegenschaften im Zentrum und kann sich somit ein gutes Leben mit Reisen und gutem Essen leisten. Doch auch diese zweite Ehe verliert ihren Glanz. Dies mehr in der materiellen Betrachtung. Die Innenstädte sterben durch den Internethandel und die großen Shopping-Center in den Randgebieten immer mehr aus. Klaus will das langsame Sterben der Kleinstadt nicht wahrhaben, scheitert leider letztendlich doch. Wie ein gesellschaftliches Geschwür verwandelt sich das Kaufverhalten und dieser Krebs frisst Klaus auch gänzlich auf. Somit verändert sich Rosas Welt immer wieder und am Ende wohnt sie mit Severin, ihrem erwachsenen Sohn, im Haus ihrer Mutter. Severin hat Kontakt zu seinem Vater Sigi, der sich mit einer neuen Familie ganz neu erfunden hat. Sigi hat erneut einen Sohn bekommen, dem er seine Liebe und Zeit widmet. Severin möchte seinem Vater gefallen und buhlt um dessen Liebe. Er eifert Sigi als Tischler nach, bis er erkennt, sein Leben geht andere Wege und er wird Fernfahrer. Doch dann passiert etwas Unbegreifliches. Auch in Sigis neuer Familie hat sich ein Schmerz eingenistet. Dies erkennen Rosa und Severin durch den Brief vom Vater, den Severin bis zu seinem Ende bei sich trägt.

Ein Roman, der die tatsächliche Verletzung erst am Ende zeigt und trotz der Wege voller Verluste zeigt, dass stets die emotionale Bestätigung vor der materiellen Sicherheit in unserem Leben wichtig ist.

Der Roman ist packend und emotional verfasst. Der Text nimmt hier und dort eine sehr deutliche Sprache an und verwandelt zuweilen die Traurigkeit in eine dezente Ironie. Gerade die Einfachheit zeigt hierbei eine Deutlichkeit, die die Brüchigkeit unserer Leben darstellt. Der Schmerz wird textlich durch Humor aufgefangen und befreit von der eigentlichen Last.

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