Alexander Häusser: „Karnstedt verschwindet“

Ein Roman über Schicksalswege, Liebe und Manipulation. Mit wenigen Wortskizzen erzeugt Alexander Häusser eine spannende und beklemmende Szenerie. Den Erzähler befällt ein Unbehagen und er versucht, Wärme zu finden. Er ist nach Dänemark, nach Varming, gefahren, denn Karnstedt hat ihn im Abschiedsbrief gebeten, sich um seinen Nachlass zu kümmern. Karnstedt ist verschwunden und anscheinend in den Freitod gegangen und hat zu Simon, dem Erzähler, über einen Anwalt Kontakt aufgenommen. Als Schüler waren beide Freunde und nun, bei der Abwicklung, kommen Simon auf Karnstedts Hof die Erinnerungen.

Mit einer Distanz baut der Autor mit seinem Erzähler eine emotionale Geschichte auf. Der Ich-Erzähler wechselt, sobald er gedanklich in die Vergangenheit reist, in die auktoriale Erzählperspektive. Die Handlung baut sich um die Geschehnisse langsam auf und dabei wird eine enorme Spannung und Beklemmung erzeugt.

Simon und Karnstedt werden aus der Not heraus Freunde. Beide fallen in der Klassengemeinschaft durch ihre Körpermerkmale auf. Simon durch seinen Kleinwuchs und Karnstedt durch das Fehlen jeglicher Behaarung. Beide sind kluge Jungs, die ständig den Quälereien der Clique um Tummer ausgesetzt sind. In einer Dachkammer träumen sich beide in eine Welt voller Abenteuer und Entdeckungen. Durch diverse Fachmagazine, die Simons Mutter im eigenen Lotto- und Zeitschriftenladen für die Jungs bereitlegt, angeregt, wächst die Begeisterung für Paläontologie. Beim Schwimmen begegnet Simon einer Frau, die ihn gänzlich in ihren Bann zieht. Leider hat diese erwachsene Frau anscheinend bereits eine heimliche Beziehung mit Tummer. Karnstedt, der seine eigenen und wahren Gefühle erst spät preisgibt, plant einzugreifen.

In der Gegenwart ist es Simon, der nun in Dänemark über seinen damaligen Freund nachdenkt. Ist Karnstedt tatsächlich ins Meer gegangen und was war vor Jahren auf dem Klassenausflug passiert? Das damalige Geheimnis tröpfelt langsam in die Erinnerungen des Erzählers und die rätselhaften Ereignisse offenbaren sich.

Ein ergreifender Roman über ein Verschwinden und um manipulative Machtspiele. Die Handlung wird durch eine zugängliche Sprache und mit behutsamen Bildern aufgebaut. Das Leben, das Begehren und die Liebe stehen dabei von Anfang an dem Vergänglichen gegenüber. Die gesellschaftlichen Strukturen und das Verlorengehen in der Ausgrenzung werden unheildrohend eingefangen. 

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