René Maran: „Ein Mensch wie jeder andere“

Mit dieser Veröffentlichung ist die deutsche Erstübersetzung eines literarischen Meilensteins erschienen. Die Handlung spielt in den 1920er Jahren und wurde erstmals 1947 in Frankreich veröffentlicht. Der Roman handelt von den Verletzungen durch den allgegenwärtigen Rassismus. „Ein Mensch wie jeder andere“ stellt die Mitmenschlichkeit in den Vordergrund und in Frage. Die Thematik ist leider immer noch von Gültigkeit. Der Roman verschönt nichts und somit wurde auch in der vorliegenden Übersetzung von Claudia Marquardt die rassistische Sprache des Originals beibehalten.

René Maran wurde 1887 auf Martinique geboren und wuchs in Bordeaux auf. Er revolutionierte die Literatur seiner Zeit und gewann als erster schwarzer Schriftsteller den Prix Goncourt. Gerade dies verfolgte ihn ebenfalls, denn wurde er in Folge belobigt, weil er den Preis gewonnen hatte, oder weil er der erste Schwarze war, der ihn erhielt? Maran starb 1960 in Paris.

„Ein Mensch wie jeder andere“  wird von der Hauptfigur Jean Veneuse erzählt. Er schreibt und geht dabei zu sich selbst auf Distanz. Er verlässt Frankreich an einem kalten Novembertag. In seiner Vorrede zur Handlung geht er auf den erlebten Rassismus ein, der ihn in den damaligen modernen Zeiten entgegenschlug. Er kehrt nach Afrika zurück, wo er als Kolonialbeamter eingesetzt werden soll. Er verlässt Bordeaux in tiefer Trauer und Verwundung. Weinend schaut er auf sein dortiges Leben zurück, das ihm als Schwarzer verwehrt wurde. Er verlässt Freunde und vor allem Andreé Marielle, die Pariserin, der sein Herz gehört. Es ist eine Abkehr von der Liebe, eher ein verstandesmäßiger Verzicht, als eine erzwungene Trennung. Die Beziehung wäre nicht unmöglich gewesen und doch empfindet er sie als ungehörig, da er ein Schwarzer und Andreé eine Weiße ist.

Die gesellschaftlich unmöglich empfundene Liebe ist das Thema. Dabei ist Jean aus der Sicht seiner Freunde und Wegbegleiter ein Schwarzer, wie sie sich viele Weiße gewünscht hätten. Es wird über ihn gesagt, er sei kein richtiger Schwarzer, denn er wirkt wie einer von der „gehobenen“ Gesellschaft. Somit entsteht eine Trennung ohne Trennung und differenziert gerade dadurch. Die Barrieren sind nicht die Bildung oder die Intelligenz. Immer wieder ist es die Hautfarbe, die Vorurteile schafft und das Leben erschwert, verändert und unmöglich macht. Auf der Schiffspassage kehrt sich die Verletzung und Enttäuschung um. Aus Trauer, Scham und dem Verlust der Liebe erwächst ein Selbsthass. Am Bord der „Europe“ trifft er auf einen alten Freund, dessen Frau und eine junge Frau, Clarisse Demours. Alle drei versuchen den trübseligen Jean Veneuse aufzuheitern. Sein Abschied von Frankreich und seiner großen Liebe trifft auf zaghaftes Unverständnis. Auf die Versuche, ihm wieder den Blick auf die Liebe zu ermöglichen, antwortet er zögerlich, ironisch und voller Selbstzweifel. Er hadert zwischen Liebe und den menschlichen sowie gesellschaftlichen Stellungen.

Ein Roman, der in Zeiten des Kolonialismus spielt und den Rassismus, Hass und Selbsthass erlebbar macht. Ein wichtiges Werk, das nun endlich auch in der Übersetzung vorliegt. Es zeigt eine Vergangenheit, die das gegenwärtige Europa und die ganze Welt in der Geschichte enttarnt. Ein Roman, der es versteht neue, d.h. tiefere Sichtweisen auf die großen Themen zu öffnen. Es bleibt zu hoffen, dass wir lernen, dass wir alle Menschen sind, wie jeder andere und Liebe, Frieden und Glück verdienen.

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