Bora Chung: „Der Fluch des Hasen“

Sinnlich, schöne und befremdliche Literatur aus Korea. Bora Chungs Kurzgeschichten sind fantastisch und wirken, als hätte Roald Dahl dem König des Horrors aka Stephen King Küsschen gegeben. Alles ist bizarr, unheimlich und großartig geschrieben.

Das Gruselige tanzt hierbei aber auch gerne mit dem Humor. Alle Geschichten zeigen Alltägliches, um daraus dann das Unnormale, was immer das ist, zu erwecken. Denn, so sagt die Autorin, das Leben ist nicht normal. Die Geschichten zeigen Ebenen, die uns neue Perspektiven und Denkanstöße schenken. Alles wirkt doppelbödig und die Gesellschaftskritik ist stets spürbar. Doch sind einige Geschichten voller Dinge, die uns gruseln oder sogar ekeln lassen. Dennoch schreibt die Autorin mit einer großen Begabung. Ihre Literatur fesselt, macht neugierig und lässt uns hellhörig werden.

Es sind insgesamt zehn Geschichten, die jegliche Grenzen im Inhalt und in der Gattung sprengen. Die Realität streift Horror, Zukünftiges und wird dadurch zu magischem Realismus. Die Erzählungen lenken unseren Blick auf Soziales, auf den raffgierigen Egoismus und auf stets Unerwartetes. Unserem schnelldrehenden Alltag der Moderne fehlt das Magische und Bora Chung gibt uns die Magie zurück, um diese dann zuweilen ins Monströse und Absonderliche zu führen.

Ob die Anfangsgeschichte ein gelungener Einstieg ist, wirkt durch den Ekel fraglich. Denn hier erscheint einer Frau in der Toilette ein Kopf, der sie Mutter ruft. Es wird ein femininer Homunculus, der aus den Hinterlassenschaften der Frau erschaffen ist. Das Betätigen der Spülung reicht nicht, um das Phänomen aus dem Leben zu bannen. Morastig wird es in einer weiteren Geschichte, in der eine Frau in ihrem Fahrzeug in absoluter Dunkelheit erwacht. Eine Stimme, die sie anspricht, warnt, ihr Fahrzeug würde in einem Sumpf versinken. Als sie dem Fahrzeug entkommt und der Stimme vertrauend folgt, wird immer fraglicher, was jene Stimme bezweckt und ob es wirklich eine Rettung gibt? Eine weitere Erzählung beschreibt die Lebensbeziehung zwischen einer Frau mit einem Androiden, der ein älteres Modell ist. Doch mag diese Frau geraden diesen, dessen Akku aber Probleme bereitet. Die titelgebende Erzählung weist darauf hin, dass Gegenstände, die mit einem Fluch belegt werden sollen, besonders hübsch sein sollten. Doch Dinge für den Eigengebrauch zu verfluchen, ist verboten. Was bei Nichtbefolgung passieren kann, zeigt sich dann im „Fluch des Hasen“. Mit Körperlichkeit und Beschämung wird in den Geschichten oft gespielt. So leidet zum Beispiel eine Frau unter einer nicht aufhören wollenden Menstruation und um diese zu stoppen, soll sie die Antibabypille nehmen, doch die Nebenwirkung bei zu häufiger Anwendung ist die Schwangerschaft.

Das Normale verdreht sich, Gesellschaftliches und Alltägliches werden ins Groteske geführt und bilden einen ganz anderen Blick auf unser modernes Leben. Die Autorin verführt uns förmlich durch ihre Sprache und den übersprudelnden Ideenreichtum. Das Buch ist eine großartige und unheimlich gute Überraschung. Übersetzt aus dem Koreanischen wurde das Buch, das auf der Shortlist für den internationalen Booker Prize stand, von Ki-Hyang Lee.

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Ein Kommentar

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Eine Antwort zu “Bora Chung: „Der Fluch des Hasen“

  1. Guten Morgen –
    im ersten Augenblick dachte, das klingt nach einam großartigen Buch und es muss auf meine Wunschliste. Und dann war ich froh, dass Du näher auf den Inhalt eingegangen bist. Huuuuuh – das ist für mich zu herb. Das mit der Toilette -wahhhh. Und das mit dem Moor fand ich so mega gruselig…

    Aber dennoch spannende Buchvorstellung. 🙂
    Liebe Grüße,
    Barbara

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