Henning Schöttke: „Wenn dich jemand sieht“

Henning Schöttke ist in der Literaturwelt eine feste Konstante geworden. Er ist ein Kieler Comic-Zeichner, der auch literarisch tätig ist. Er veröffentlichte einen Romanzyklus über die Todsünden und diverse Kurzgeschichten in unterschiedlichen Anthologien. Sein neuestes Buch „Wenn dich jemand sieht“ beinhaltet elf Kurzgeschichten. In der Kürze und dem Aufbau des Spannungsbogens zeigt sich sein wahres Können. In der Spannungsliteratur ist der Autor zuhause und sagte einst, dies sei auch das Genre, das er als Leser bevorzugt. Dies merkt man seinen neuen Geschichten an. Dabei mindert dies aber nicht sein Romanprojekt um die Todsünden, denn dieser noch nicht ganz abgeschlossene Zyklus ist eine Lesereise wert. Die Romane und die Geschichten sind immer eine Reise in Zeit und Raum und eröffnen dem Leser viele neue Ansichten.

„Wenn dich jemand sieht“ ist ein kleiner, ideenreicher Schatz und bietet eine enorme Vielfalt. Die Storys können mal Krimi oder mal Mystery beinhalten und beschäftigen sich mit der künstlichen Intelligenz. Die literarischen Vorbilder schlagen hierbei einen Bogen von Isaac Asimov zu Stephen King und werden auch mal etwas kafkaesk. Denn was ist denn an Klingelstreichen so schlimm, dass Kinder sich in einem beklemmenden Prozess wiederfinden? Auch Betrachtungen über die Zeit stimmen nachdenklich, denn wenn diese aus den Fugen gerät und langsam vergeht, während man selbst schnell erfasst, gerät das Umfeld dadurch in eine Stille und kann für einen Torwart einen Glückmoment erzeugen, der dann letztendlich erstarrt. Der Einstieg in die Geschichten gelingt durch eine übersinnliche und unheimliche Operation. Eine Verstorbene, die für die Organspende vorbereitet wird, regt sich unheimlich über die Geschehnisse im Operationssaal auf und es kommt zu einem Drama. Ferner wird ein überfälliger Besuch bei einem Großvater beschrieben, der durch die technologischen Entwicklungen die Frage aufwirft, was noch Realität ist. Auch haben die Geschichten zuweilen viel Humor. Zum Beispiel, ein Einbrecher, der überrascht wird und in Gedanken das Gespräch im Amt durchspielt, als er das Kindergeld beantragt und seinen Beruf angeben soll.

Jede Geschichte baut sofort ein Interesse und eine Spannung auf, so dass man diese zügig inhaliert. Die Texte sind gute Unterhaltung und gleichzeitig Literatur, die fesselt und begeistert. Mit wenigen Skizzen zeichnet der Autor Figuren und Szenerien, die gruseln und zum Nachdenken einladen.

Am Donnerstag, 4. April 2024 um 19:00 Uhr wird Henning Schöttke bei uns in der Buchhandlung lesen.

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