Janna Steenfatt: „Mit den Jahren“

Ist es das Leben, das ich mir gewünscht habe? Unsere individuelle Lebensplanung wird durch Wünsche, Träume und Wirklichkeiten gelenkt. Dabei spaltet sich das Wunschdenken an der Realität des Umfeldes und den tatsächlichen Möglichkeiten. Haben wir stets die Option, unser Leben wie erhofft zu führen? Werden die Gemeinsamkeit, die Freundschaft und das Liebesleben nicht durch den Eigennutz in Frage gestellt? Sofern der Mensch in Berührung mit anderen kommt und sich ernsthaft auf das Gemeinsame einlässt, muss das individuelle Wunschdenken sich gemeinschaftlich finden und definieren lassen. Der Roman baut sich um den Leitsatz der Großmutter einer der Figuren auf. „Es gibt zwei Sorten Menschen auf der Welt. Die, die zu zweit sind, und die, die allein sind“. Gibt es keine weitere Alternative?

Janna Steenfatt hat nach „Die Überflüssigkeit der Dinge“ ihren zweiten Roman geschrieben. In ihrem Debüt spielt sie mit dem fiebrigen Moment des Wartens, bis der Vorhang zum eigenen Leben sich hebt. Der Roman spielt in der Theaterwelt und handelt von Figuren, die sich im Leben zu finden versuchen. In „Mit den Jahren“ haben die Charaktere ein Leben. Doch sind sie damit glücklich? Der Roman besteht aus Momentaufnahmen in unterschiedlichen Perspektiven, die dadurch den Umfang der Wünsche, Träume und Lebenswege der Charaktere aufzeigen.

Jette lebt allein, versucht einen Roman zu schreiben und arbeitet in einer Videothek. Lukas und Eva sind verheiratet und haben Kinder. Sie ist Lehrerin und akzeptiert die Launen ihres Mannes, denn er ist Künstler und wenn er kreativ ist, benötigt er Freiraum. Doch ist sein verlangter Raum kompatibel mit dem Familienleben und einem gewöhnlichen Alltag? Seine Kunst zeigt das Tierische im Menschen. Alle zweifeln am Leben und sind mit der im Leben eingespielten Routine unzufrieden. Jette hat sich in ihrem Singledasein zurechtgefunden. Dann trifft sie in einer Bar auf Lukas. Eigentlich will sie sich nicht auf Männer einlassen und er möchte eigentlich keine Affäre, doch kommt es zu dieser. Eva stellt sich ebenfalls die Frage, ob das Leben an der Seite von Lukas das Leben ist, das sie befriedigt? Die Beziehungen sind alle porös geworden und es kommt zu weiteren Situationen, die die drei Figuren zusammenbringen. Ist es das Leben, das sie leben möchten oder wäre ein anderes Leben tatsächlich ein besseres?  

Der Roman funktioniert gut und unterhält. Durch die Sprache und Charakterisierungen entstehen zu den Figuren und Handlungen Zugänge, die uns selbst reflektieren lassen. Der ewige Wunsch nach Veränderung oder nach Verbesserung steht dem Wunsch gegenüber, das alles so bleiben soll, wie es ist. Der Wille nach Veränderung kann durch eine gefundene Persönlichkeit und die Sehnsucht nach Verbindlichkeiten gemindert werden. Janna Steenfatt lässt uns an ihren Gedankenspielen teilhaben und hat dabei einen Roman geschrieben, der gute Unterhaltung bietet. Zuweilen mäandert die Handlung leicht, doch zeigt sie gerade dabei die andauernde Unzufriedenheit, die sich gesellschaftlich beobachten lässt.

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