Kerstin Ehmer: „Der weiße Affe“

Der weiße Affe Kerstin Ehmer Pendragon Verlag

„Der weiße Affe“ ist eine kriminalistische Zeitreise in die Goldenen Zwanziger, die uns mitten in die brodelnde Metropole Berlins verführt. Der Titel ist eine Anspielung auf das sogenannte  Judenporzellan, das in früheren Zeiten die Juden zu einer Zwangsabgabe verpflichtete. Die jüdische Kultur und Religion ist auch ein Bestandteil des Romans, denn ein jüdischer Banker wird in einer Zeit ermordet, in der der Nationalismus und Fremdenhass sich bereits überall bemerkbar machen.

Der Held des Romans ist der Kriminalkommissar Ariel Spiro. Seine Mutter war Shakespeare-vernarrt und nannte ihn nach dem Luftgeist. Doch kommt es immer wieder zu kleinen antisemitischen Auseinandersetzungen, da er in der Hauptstadt stets als jüdisch angesehen wird, was ihm in Folge aber auch behilflich sein wird, da er anfänglich somit das Vertrauen der Familie des Ermordeten gewinnt.

Spiro kommt aus Wittenberg und war dort in der Provinz ein wahrer Polizeiheld, der sich nun in die Großstadt versetzen lässt. Durch die Zugreise verspätet er sich gleich am ersten Tag und ihm wird schon bei seiner Ankunft in der Wache ein Fall übertragen, der gerade gemeldet wurde. Eduard Fromm, ein Banker, wurde ermordet. Fromm wurde wohl mit einem Holz erschlagen, dass bei ihm Farbreste hinterlassen hat, die auch auf eine politisch motivierte Tat schließen lassen könnten. Der Ermordete war Leiter einer Bank und lernte seine Frau auf einem Konzert kennen. Er war sehr vermögend und legte seiner Ehefrau die Stadt zu Füßen und viele Künstler waren ihre privaten Gäste. Sie haben zwei Kinder, eine Tochter und einen Jungen. Aber Eduard Fromm führte auch ein heimliches Leben. Er hatte eine Geliebte und lebte bei ihr seine biedere deutsche Seite aus. Er wollte anscheinend seinem jüdischen Leben entkommen und schuf sich einen typisch deutschen Rückzugsort. Die Mordermittlungen zeigen schnell mehrere mögliche Verdächtige. Da ist unter anderem der Vizepräsident der Bank, Silberstein, mit dem der Ermordete einen freundschaftlichen Bruch wegen einer sehr fragwürdigen Finanzierung hatte. Auch führt die Spur zum Menschenhandel, d.h. zur Prostitution. Auch Ambros, der Sohn des Ermordeten, wirkt verdächtig. Dieser führt ein freizügiges Leben und sein Vater hatte ihm wegen seiner sexuellen Neigungen bereits mit der Enterbung gedroht. Spiro hat enormen Erfolgsdruck, da sein Vorgesetzter die schlechte Presse verhindern möchte und Spiro selbst seinen guten Ruf als Ermittler bestätigen möchte. Doch macht er einen Fehler, er verliebt sich in Nike, die Tochter des Ermordeten, und gerät somit in den Bann der Familie…

Ein Krimi, der besonders durch die Wiedergabe dieser pulsierenden Zeit in Berlin lebt. Ein Bild der Epoche der Weimarer Republik und den Anfängen des Antisemitismus, Rassismus und des Nationalsozialismus. Die Metropole fährt dem Kommissar mit ihrem Nachtleben und hektischen Stadtleben gänzlich ins Blut. Er erlebt die sexuelle Freiheit, die Bars und die rauschenden Feste. Die ganzen Widersprüche der damaligen Zeit werden durch den Text sehr lebendig.

Ein sehr unterhaltsames und stimmungsvolles Krimidebut. Es gibt vergleichbare Krimis, die im Berlin der 1920er Jahre spielen. Doch besonders dieser lebt durch seine Stimmung und den Ermittler, der dem Rhythmus der Großstadt verfällt.

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Ein Kommentar

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Eine Antwort zu “Kerstin Ehmer: „Der weiße Affe“

  1. Auf das Buch bin ich auch sehr gespannt. Und gerade jetzt ist man durch „Babylon Berlin“ eh angefixt.

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