Michael Crummey: „Die Unschuldigen“

Ein intensiver Roman, der ein weites, aber auch zugleich ein enges Panorama  vor der Küste Neufundlands im 18. Jahrhundert entwirft. Ein dramatischer, aber auch ein in sich stiller Roman um zwei Kinder, die sich in der rauen Natur behaupten müssen. Ein Text, der uns eintauchen lässt in eine ferne Welt und Zeit. Mit vielen Bildern und Geschehnissen erleben wir hautnah, was es bedeutet, von der Natur abhängig zu sein und jeden Tag als neuen Kampf ums Überleben anzusehen. Es ist ein neben dem großen Abenteuer auch ein Entwicklungsroman. Zwei Geschwister, die eng verbunden sind und deren Schicksal sie sehr eng zusammengeschweißt hat, müssen sich vielen Aufgaben, Entbehrungen und Abenteuern stellen. Geschwister, die eine Hoffnung haben auf ein besseres Leben.

Anfänglich ist es eine Familie, die abgelegen an der Küste lebt. Der Vater ist Fischer und die Frau kümmert sich um den Gemüsegarten und hilft beim Ausnehmen und Einlagern des Fischfangs. Dieser ist ihre Einnahmequelle, die sie zum Handel einsetzen können, um zusätzliche und lebensnotwendige Lebensmittel zu erwerben. Ein Handelsschoner kommt regelmäßig, um den Fang der Familie abzuholen, zu bewerten und gegen andere Ware einzutauschen. Ist die Fangquote negativ ausgefallen, muss die Familie Schulden machen, um zu überleben. Dies wird alles auf dem Schiff verhandelt, festgehalten und in der kommenden Saison verrechnet. Die Familie ist somit abhängig von Wetter, Natur, ihrer Verfassung und der Gunst der Handelspartner.

Es sind zwei Kinder, Evered und Ada, die mit ihren Eltern in dieser Welt leben und aufwachsen. Viele Kinder hatten die Eltern bereits verloren und eine weitere Geburt steht bevor. Die Hebamme, die ein altes Wissen verinnerlicht hat, kommt stets zu den Geburten und lebt dann kurzweilig bei der Familie. Doch wird dieses neugeborene Mädchen nicht lange leben, bleibt aber beständig eine Bezugsperson in der Phantasie von Ada. Als die Mutter und kurz darauf der Vater sterben, sind der elfjährige Evered und die zwei Jahre jüngere Ada in dieser kargen Welt auf sich alleine gestellt. Sie überlegen kurz, in das nächst gelegene Dorf zu ziehen, weil sie dort die Hebamme kennen, haben dann durch die Erinnerung vor dieser etwas Angst. Also müssen sie erwachsen werden und, um überleben zu können, die Aufgaben der Eltern übernehmen. Sie kennen die Welt nur aus ihrer kindlichen Sicht und aus dem dürftigen Wissen, das ihnen ihre Eltern noch lehren konnten.

Das harte Leben zeigt sich ihnen sofort und schonungslos. Mit vereinten Kräften versuchen sie, den Fischbetrieb des Vaters aufrecht zu erhalten. Als das Handelsschiff kommt, muss sich Evered den Männerdingen stellen und lernen zu verhandeln. Sie leben von den getauschten Lebensmitteln, dem Fischfang und der Robbenjagd. Sie lernen schnell den Kampf in dieser brutalen und entbehrungsreichen Umgebung und haben wenige Stunden, um überhaupt noch an ihr Kindheit zu denken. Die Jahreszeiten und die verschiedenen Fischschwärme müssen bedacht und die fachgerechte Einlagerung gelernt werden. Sie können vieles gebrauchen. Treibgut und ein im Eis gefangenes Wrack bringen einiges Nützliches für sie zutage. Die Zeit vergeht und sie werden älter und somit wirklich erwachsener.

Sie müssen sich vielen Aufgaben stellen und ihre Geschwisterliebe wird auf eine große Probe gestellt. Letztendlich geht es um ihre Zukunft. Ein Roman über das Leben als Mensch unter rauen, unfassbaren Bedingungen. Der Roman lässt uns diese Zeit miterleben und beschreibt die Natur kraftvoll und gnadenlos, aber auch als für uns Menschen lebenswichtig.

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