
Ein ergreifendes Werk, das den Schrecken einer Diktatur, aber auch die Wichtigkeit der Kunst, besonders der Literatur beschreibt.
Die Rahmenhandlung handelt von einem Mann, der sich anfänglich auf einer Zugfahrt in Kanada befindet und dabei seine Erinnerungen fixiert. Er wird sterben, er hat Krebs und will sein Buch über seine Erlebnisse in seinem Heimatland fertigstellen. Ein afrikanisches Land, in dem sich ein Widerstand gegen das totalitäre Regime bildete. Als Jugendlicher lernte er lesen, schreiben und rechnen. Er stellt sich später die Frage, aus welcher „Nacht“ der Welt er stammt. Aus jener der Liebe oder der der Hölle? Die Nacht als Metapher, die die Sonne ausblendet, die in diesem Roman beständig scheint. Der helle Himmelskörper taucht mal auf als wärmende Quelle, aber auch als heißes und gefährliches Blendwerk. Bereits Camus benutzte ebenso die Sonne. In „Der Fremde“ heißt es: „Es war wegen der Sonne.“
Ito Baraka befindet sich auf dem Weg zu seiner schäbigen Souterrainwohnung bei Ottawa. Dort lebt er mit seiner Lebensgefährtin Kimi Blue, die mit ihrer indianischen Vergangenheit auch viel Negatives erleben musste. Beide finden in ihrer Beziehung Zuneigung und Geborgenheit. Ito Baraka hat bereits einige Theaterstücke geschrieben und möchte nun seinen autobiografischen Roman schreiben. Immer wieder reist er gedanklich zurück und hält seine Erinnerungen fest. Als in seiner Heimat die Diktatur voranschreitet, beginnen sie als junge Studenten Flugblätter zu verteilen und proben ein Schauspiel, um die Menschen wachzurütteln. Immer wieder ist es Beckett, den sie zitieren und verehren. Es kommt zu Unruhen und Verhaftungen. Auch Ito Baraka wird inhaftiert, gefoltert und lange in einem Straflager eingepfercht. Neben der Folter, den Entbehrungen und Erniedrigungen lernt er in Haft Koli Lem, einen älteren, blinden und gebildeten Menschen kennen. Auch als Blinder trennte er sich niemals von der Literatur und bittet nun Ito Baraka ihm abends vorzulesen. Dies öffnet Ito Baraka ein Tor in die Welt der Literatur. In dieser Welt können sich beide zurückziehen, verstecken und fliehen.
Nach dem politischen Zusammenbruch kommt Ito Baraka frei. Er beginnt zu schreiben und durch ein kleines Stück, das er geschrieben und eingereicht hatte, findet ihn ein Förderer, der ihm ein Stipendium in Kanada ermöglicht. Somit beginnt Ito Baraka in der Ferne ein neues Leben, das aber zwischen dem Neuen und dem Alten hin- und hergerissen ist. Kann er diese beiden Welten für sich in Einklang bringen? Kann er Frieden finden? Die letzten Sätze seines Werkes diktiert er seiner Freundin, die nun durch seine geschriebenen Worte immer mehr seine Welt begreifen lernt.
Literatur als Fluchtmöglichkeit aus dem Elend. Doch gibt es, wie wohl im wahren Leben, kein Happy End, sondern lediglich ein Begreifen.
Der Autor Edem Awumey wurde 1975 in Lomé, Togo geboren und lebt bei Ottawa. Dies ist sein vierter Roman, der von Stefan Weidle aus dem Französischen übersetzt wurde. Die Sprache ist gleich der Handlung, roh, direkt und doch sehr einfühlsam und schafft Raum für viel Empathie und Gedankenspiele. Das Lesen dieses Werkes erschauert, bereichert und ist wichtige und lesenswerte Literatur.
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