Sophia Lunra Schnack: „feuchtes holz“

Ein außergewöhnlicher Roman. Dies offenbart sich bereits beim ersten Durchblättern. Hier vermischt sich Prosa mit Lyrik. Der Inhalt wirkt wie in Worte gegossen und die Handlung verbirgt sich in Klang und offenbart eine sinnliche Welt, die nicht verklärt. Die Prosa zerfließt in Poesie und die Lyrik verschließt sich niemals vor dem Lesenden, sondern wird zum Träger des Romans. Das Buch ist eine literarische Osmose, die einen sofort erfasst und deren Inhalt sich in die eigene Wahrnehmung ergießt. Die Handlung verliert sich in Raum und Zeit und beim Lesen überträgt sich diese Welt und der reale Bezug hebt sich auf. Die Sprache verliert die Satzaussage, ohne die tatsächliche Aussage zu verlassen. Das Einheitliche verbirgt sich bereits in der Lyrik mit der fehlenden Groß- und Kleinschreibung.

Unsere Erinnerung ist eng mit den Gerüchen, den Sinnen verbunden und oft reicht ein kleiner Hauch, um plötzlich in die Kindheit zu gelangen. Hier ist es zum Beispiel der Geruch von feuchtem Holz. Die Erinnerung setzt ein und wandert durch familiäre Generationen. Erinnerungen rattern durch Sinneseindrücke angeregt und erzeugen Bilder und Emotionen. Eine Reise zurück an den Ort der Kindheit wird in der Handlung beschrieben. Das nicht mehr existierende Elternhaus als Ausgangspunkt der Wanderung durch Landschaft, Raum und Zeit. Die früheren Eindrücke, Gerüche und Gefühle tauchen aus den Tiefen auf. Wie aus einem See, dessen Wellen langsam die Veränderung erzeugen.

Die Familiengeschichte beginnt mit dem Urgroßvater, den Kriegen und den Verlusten und besonders dem Trauma, das sich durch Generationen festgesetzt hat. Der Weg zurück ist hier zweideutig. Der anfängliche Weg der Erzählerin in das Heimatliche, in die eigene Kindheit und dann der Weg zurück in das einfache Leben nach den schicksalhaften Ereignissen, deren Muster den Geist der ganzen Familie erfasste.

Im Roman offenbart sich immer mehr durch Bilder und die Sprache. Das Erlebte wird erfasst und meist waren es kleine Dinge, die das Untragbare hervorzaubern. Das ganze Buch verzaubert und minimiert die Zügigkeit des alltäglichen Lebens und macht einen Schritt zurück, um sich in der Stille lautstark zu ergießen. Ein Roman, der Aufmerksamkeit verlangt und dann immer mehr ein Staunen zu erzeugen vermag. Ein unkonventionelles und großartiges Werk, das aus Beobachtungen und Sinneseindrücken besteht. Durch diese Episoden entstehen Bilder aus Geschichte und das ganze Sprachkonstrukt wird immer komplexer. Dabei ist es niemals anstrengend, sondern purer Genuss es zu lesen.

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