Roskva Koritzinsky: „Keine Heiligen“

Das Buch beinhaltet sieben Kurzgeschichten, die einzeln, aber doch als Ganzes  gelesen und verstanden werden sollten. Der Titel „Keine Heilige“ spiegelt sich in vielen Bildern der Texte wieder. Religion im Wortbegriff ist der Inhalt. Die Suche nach Bindung und Verbindung. Die Geschichten kreisen um Sehnsucht und Einsamkeit und sind jede für sich ein Raum zum Innehalten und Reflektieren. Die Texte erschließen sich einem nicht sofort, sondern die Bilder und Worte erklingen nach oder wollen erneut erfasst werden. Sprachlich, emotional und gedanklich macht es sehr viel Freude, sich auf die Texte einzulassen. Die Autorin zählt zu den jungen, großen Talenten der norwegischen Literatur. Übersetzt wurde das Buch von Andreas Donat.

Es sind stille, melancholische und wunderschöne Geschichten, die einen bewegen. Es beginnt mit einer Parzival-Anspielung. Ein Ritter, der die versteinerten Menschen und Tiere erst durch die Rückkehr und durch Mitgefühl aus der Erstarrung befreit. Im Mittelpunkt stehen Geschwister, die das Familiäre nie richtig erlebt haben. Die Lieblosigkeit entsteht durch das Fehlen des Vaters und einer Mutter, die nicht die wahre Liebe kennt und lebt. Dabei wird für ein Kind ein kleiner Punkt, der mit einem Stift über das Bett gemalt ist, zu einem ganzen Tunnel.  Ein Fixpunkt, der sich ausweitet zu einem Fluchttunnel. Es sind Menschen, die für sich alleine im Leben sind und stets die Nähe suchen. Mal reicht das Finden einer Ikone, mal ist es eine Nachtwache, die durch die Erinnerung die damalige Nähe heraufbeschwört. Das menschliche Miteinander als chorales Bild. Singt man mit oder ist es lediglich der Chorgesang, der in der Brust einen summenden Ton erzeugt? Das Religiöse wird ein Begleiter. Zum Beispiel durch Schutzengel, das Bild des Drachenkampfes oder durch ein ehemaliges Kloster. Ein Kloster, das nun als Heim umfunktioniert wurde. Sind die Bewohner aus freien Stücken dort?

Das Buch beinhaltet kluge und schöne Sätze, die sich langsam entfalten. Die Geschichten handeln von der Sinnsuche und der Sehnsucht nach Liebe. Dabei ist das Emotionale in kleinsten Gesten, Handlungen oder Bildern verborgen. Das Heimkehren als Bild des Weges zu sich selbst und die Sinnhaftigkeit des Lebens werden auf schöne und komplexe Weise in Literatur verwandelt. Erneut eine besondere Ausgabe in dieser Verlagsreihe, die durch das Printmedium und den Inhalt alle Sinne anzuregen versteht. Ein Werk, das uns auf etwas fokussiert und dadurch ein Wachstum entstehen kann, zumindest in der Empathie und an der Freude an Literatur.

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