Eeva-Liisa Manner: „Das Mädchen auf der Himmelsbrücke“

Es gibt Werke, die über den Verstand aufgenommen, dann aber über den Verstand hinaus erfasst werden. „Das Mädchen auf der Himmelsbrücke“ trägt autobiografische Wahrnehmungen der Autorin und wirkt aus der Zeit gefallen. Alles wird aus der kindlichen Perspektive erzählt und wirkt dadurch zuweilen märchenhaft. Das Sagenhafte trifft durch Kindesaugen auf Realität. Dies verdeutlicht sofort der Anfang. Die Stadt, in der die Handlung angesiedelt ist, kann geografisch und historisch eingeordnet werden und doch wirkt sie durch die Erzählerin in der Zeitwahrnehmung herausgenommen und wie ein geometrisches Werk erbaut.  

Leena ist ein Schulkind und lebt bei ihrer Großmutter. Die Mutter verstarb kurz nach ihrer Geburt und der Vater, ein Trunkenbold, sagt man, verschwand und gründete eine neue Familie. Leena ist verträumt und sieht die Welt mit besonderen Augen. In ihr ist eine Traurigkeit, die sich durch das Unverständnis und die Einsamkeit erklärt. Die Großmutter kann sich ihr nicht öffnen, gibt wenig Liebe und erzieht das Mädchen streng religiös. In der Schule wird sie oft von der Lehrerin drangsaliert und gibt Leena auch eines Tages einen Brief mit der Aufforderung, die Erziehungsberechtigten mögen Kontakt mit der Lehrerin herstellen, da Leena aus deren Sicht starrsinnig und faul sei. Leena liest den Brief und ihr Schmerz vergrößert sich. Sie sucht, wie immer, Zuflucht in der Natur. Besonders das Wasser zieht sie stets magisch an. Das fließende Element ist ein Sprudel an Klärung und Musik für sie. Sie lässt den Brief wie einen Vogel los und danach passiert es, sie fällt und wacht später wieder auf und meint, im Himmel zu sein. Doch ist es ein Mediziner und sie habe wohl die Fallsucht. Durch die Erkrankung bleibt sie einige Tage der Schule fern und dadurch lenkt sie erneut durch das unentschuldigte Fehlen die Aufmerksamkeit der Lehrerin auf sich.

In Leenas Welt trennt sich die Wahrnehmung von Realität. Als Leena später durch die Stadt geht, wird eine Straße zu einer Himmelsbrücke und der Weg führt sie zu einer katholischen Kirche. Hier hört sie zum ersten Mal die Musik von Bach und sie ist sehr berührt. Die darauffolgenden Gespräche mit der Nonne und dem älteren blinden Mann, der die Orgel gespielt hatte, sind der Wendepunkt.

Kindheitserinnerungen und Wahrnehmungen sind der Antrieb für diesen Roman. Die kindliche Perspektive wirkt auf den Lesenden ein und erzeugt emotionsvolle Bilder und Gedanken. Der Roman berührt durch seine feinfühlige, märchenhafte und poetische Sprache. Die Handlung und der Sprachklang erzeugen eine Stimmung die wunderschön traurig ist. Der Roman wurde aus dem Finnischen von Maximilian Murmann übersetzt.

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