Daniel Mason: „Oben in den Wäldern“

Die Idee ist nicht neu, denn ein Objekt in den Mittelpunkt des Handlungsverlaufs zu stellen gab es schon öfters. Doch die Umsetzung überzeugt in dem Roman „Oben in den Wäldern“. Ein Haus ist Lebensmittelpunkt, Rückzugsort und Heimat. Der Wohnraum ist eines der wichtigsten Fundamente im Leben. Die meisten Gebäude haben eine ältere Geschichte als die Bewohner. Was sind das für Erlebnisse, für Schicksale und wer lebt vor einem in denselben Räumen und nannte es ebenfalls Zuhause? Dies ist die Ausgangssituation für den umfangreichen Roman. Daniel Masson lässt uns teilhaben an Entwicklungen, Veränderungen und blickt dabei in menschliche Abgründe und verweist auf die Vergänglichkeit. Was bleibt am Ende von uns, unseren Leben und Geschichten übrig?

Das Auffällige am Roman ist die verspielte und vorgespielte Authentizität. Es sind zuweilen Briefe, Dokumente und persönliche Berichte. Jede Perspektive bekommt auch ihren individuellen Sprachklang. Um das Zeitgefühl zu erleben, wurden die Begrifflichkeiten und der Sprachgebrauch der jeweiligen Epoche übernommen. Die Handlung kreist um ein Haus in den Wäldern von Massachusetts und reist durch die Zeitgeschichte. Somit ist das damalige Menschenverständnis ein anderes und würde es sprachlich dem gegenwärtigen angepasst werden, würde es den Charakterisierungen der Figuren und der jeweiligen Epochen nicht gerecht werden. Der Roman möchte auf den Wandel aufmerksam machen. Wobei die Zeiten oft nur zu erahnen und doch sehr deutlich ausgearbeitet wurden.

Es beginnt mit einer Flucht aus Liebe. Ein junges Paar flieht aus seiner Kolonie und nach einer langen Wanderung, werden sie in den Wäldern von Massachusetts sesshaft. Eine Frau, deren Dorf von Native Americans überfallen wird, wird verschleppt, wohl um Lösegelder von den weißen Siedlern zu erpressen. Sie wird zu der erstgenannten Frau gebracht, die ihren Mann bereits verloren hatte und mit einem Urbewohner zusammenlebt und die Hütte in den Wäldern bewohnt. Das Religiöse und die Andersartigkeit schüren die Ängste, Beklemmungen und das Misstrauen beiderseits. Das Haus wird in Folge viele Kämpfe erleben. Den Siebenjährigen Krieg und den beständigen Kampf gegen die ursprünglichen Bewohner dieser Regionen. Der Wandel kommt mit den Äpfeln. Eine Bestattung zeigt den Weg des Natürlichen, denn aus einem Begräbnis erwächst in der Natur neues Leben und ein englischer Soldat hat ein Zukunftsbild und beginnt oben in den Wäldern einen wunderbar schmeckenden Apfel zu züchten und anzubauen. Seine Töchter werden lange von der Plantage leben können. So wandert die Handlung durch die amerikanische Geschichte. Die Plantage wird wiederentdeckt und es folgen noch weitere Episoden mit menschlichen und tierischen Begegnungen.

Alles ist vereint durch die Fixierung der Örtlichkeit im Wandel der Zeit. Der Roman erinnert in den anfänglichen Kapiteln an den epischen Roman „Der erste Sohn“ von Philipp Meyer. Der Aufbau des Romans lässt den Vergleich zu dem kolossalen Werk „Das grüne Akkordeon“ von Annie Proulx immer wieder aufblitzen. „Oben in den Wäldern“ überfliegt die Epochen und deren Menschen. Dabei verändern sich die Stimmungen, die Sprache und die Inhalte. Doch ist es stets der Drang, etwas Bleibendes zu hinterlassen. Dies ist zumindest dem Autor mit diesem Epos gelungen. Übersetzt wurde der Roman aus dem Englischen von Cornelius Hartz.

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