Isabelle Autissier: „Acqua alta“

Im neuen Roman von Isabelle Autissier sind es erneut die Lebensbedingungen, die eindringlich beschrieben werden. Nach den lesenswerten Werken „Herz auf Eis“ und „Klara vergessen“ lässt sie wieder das Meer aufleben. In „Acqua Alta“ wirft sie einen Blick in eine mögliche Zukunft und lässt Venedig versinken. Der Titel bezieht sich auf das jährliche winterliche Hochwasser in Venedig. Doch ist es im Roman ein gigantisches Hochwasser und der vermeintliche Schutz hilft nicht mehr. Die Handlung spielt 2021 und ist dennoch zukunftsweisend. Die Schutzmaßnahmen und die Politik versagen und das Festhalten am Tourismus, besonders an der Kreuzfahrttouristik beschleunigt hier das Unvermeidliche.

Die Autorin, die selbst die Weltmeere besegelte, macht stets die extremen Lebenssituationen zu ihren Themen. Neben ihren Romanen sorgte sie 1991 für Furore, als sie als erste Frau allein im Rahmen einer Regatta die Welt umsegelte. Ihre Weltsicht und das Abenteuerliche sind stets ein Teil ihrer Werke. Spannend erzählt Autissier über unsere Gier, Blindheit und Stagnation, ohne dabei zu sehr moralisierend zu werden. Vergleicht man dieses Werk mit den vorherigen, so fällt auf, dass die ersten Romane aus ihr erwachsen sind und sprachlich und inhaltlich in ihr reiften. Das neue Werk liest sich ebenfalls großartig, ist aber mehr dem Herzenswunsch entsprungen, auf unser Verhalten hinzuweisen.

Guido kommt aus einer Familie, die von der Landwirtschaft lebt. Er ist ein handelnder Mensch und kann dann in der Politik Karriere machen. Er möchte Erfolg und Macht erlangen und wird zum wichtigen Wirtschaftsrat Venedigs berufen. Wie es Katrin Seddig in ihrem Roman „Sicherheitszone“ machte, wirft nun Isabelle Autissier eine Familie in die kommenden Ereignisse. Bei Autissier sind es auch Familienmitglieder, die unterschiedliche Sichtweisen präsentieren. Guido lernt Maria Alba kennen, die aus dem venezianischen Adel stammt und weiterhin in der Pracht des ehemaligen Venedigs schwelgt. Die kommende Generation wird repräsentiert von Léa, der Tochter. Léa möchte auf die Veränderungen hinweisen und will die Stadt retten, auch wenn sie sich damit gegen ihren Vater stellen müsste.

Es wird vor dem kommenden Hochwasser gewarnt. Doch Guido vertraut auf die Warn- und Sicherheitsmechanismen. Er denkt stets an den wichtigen Tourismus und macht sogar noch Witze, dass die Gäste dann alle halt in Gummistiefeln ihre Selfies machen können. Doch Venedig wird überschwemmt und die Pfähle und das Mauerwerk können den Gewässern nicht mehr standhalten. Guido wird Zeuge, wie seine Frau in die Fluten gerissen wird. In Folge fährt er als einer der wenigen Überlebenden durch die Ruinen und Kanäle auf der Suche nach seiner Frau und seiner Tochter.

Ein spannender Roman, der uns das Wasser bis zum Hals steigen lässt. Das Szenario wird sehr bildreich eingefangen und der Weg in die Katastrophe glaubhaft beschrieben. Doch lebt der Roman von der Authentizität der Figuren, die uns im Kleinen alle repräsentieren. Der Roman wurde von Kirsten Gleinig aus dem Französischen übersetzt.

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