Frans Eemil Sillanpää: „Frommes Elend“

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Der finnische Autor Frans Eemil Sillanpää lebte von 1888 bis 1964 und hat als bisher einziger Autor aus Finnland den Nobelpreis für Literatur erhalten.
Der Roman „Frommes Elend“ ist ein unglaublich schöner Leseschatz und ein Buch, das man aufgrund der Gestaltung und des Formats sehr gerne in die Hand nimmt.
Es ist ein literarisches Werk, das mich durch die tragische Geschichte und die tolle Sprache und den teils humorvollen und ungewöhnlichen Erzählstil gefesselt hat.
Ein älterer Roman, der dennoch an Aktualität nichts eingebüßt hat und sich gut neben der modernen Literatur behaupten kann. Mich hat das Buch ab und zu an die kürzlich erschienene Novelle von Robert Seethaler „Ein ganzes Leben“ erinnert, auch wenn es mehr von John Knittels „Via Mala“ ins sich birgt.

Der Roman erzählt einen Lebensweg in einer Umgebung, die uns heutzutage fremd und sehr fern ist. Es ist eine harte, karge und trostlose Welt, in der wir uns beim Lesen verlieren können. Ein Text, der jeden Leser emotional fesseln und zu Herzen gehen wird.

Die Geschichte beginnt gleich mit dem Ende. Die Hauptfigur wird mit neun weiteren Gefangenen vom Kriegsrichter zum Tode verurteilt. Vor dem Massengrab werden diese erschossen und Jussi, der der letzte ist, legt sich zu den anderen Leichen, was dem Erschießungskommando nicht recht ist. Er soll im Stehen erschossen werden.
Es ist der Bürgerkrieg, der während einer Lebensmittelkrise im ersten Weltkrieg entfacht wurde, der sein Leben fordert. Durch die Kombination mit russischer Propaganda radikalisierte sich zum damaligen Zeitpunkt die Arbeiterbewegung in Finnland. Die Arbeiterklasse nahm die Ideale des Sozialismus an und fand Zuspruch in der Landbevölkerung. Der Bürgerkrieg brach letztendlich wegen der Unzufriedenheit gesellschaftlicher Gegensätze aus und forderte sehr viele Opfer. Warum unser Held Jussi erschossen wird, ist aber eher auf ein Missgeschick zurückzuführen und wird erst gegen Ende des Romans erzählt.

Der Protagonist kommt 1857 auf dem Nikkilä-Hof zur Welt. Je nach Gelegenheit wird er Jussi, Juha, Johan oder Janne genannt. Später wird ihm der jeweilige Hof-, bzw. Ortsname angehängt, in dem er gerade lebt bzw. arbeitet: Nikkilä-Jussi, Tourila-Jussi und Toivola-Juha.
Jussi selber hat eine kleine Auffassungsgabe und ein geringes Denkvermögen. Somit gelangt er in seinem ganzen Leben stets in tragische Geschichten.

Seine Eltern sind Bauern, die durch die Trunksucht des Vaters alles verlieren und als dieser später stirbt, verlässt die Mutter mit ihrem kleinen Sohn den Hof. Sie werden ein Teil jener Bettler, die durch die große Hungersnot in Finnland (1866 bis 1868) durch die Lande ziehen. In diesen drei Jahren verhungerten ca. 270 000 Menschen. Die Gründe für diese Katastrophe waren die vorangegangen dürftigen Ernten und die ungünstigen Wetterverhältnisse hatten dann für die kommenden Ernten verheerende Auswirkungen.

Jussi kommt auf dem Hof des Onkels unter. Er muß schnell seine Kindheit hinter sich lassen und soll als Knecht harte Arbeiten erledigen. Durch einen Jungenstreich, den einer seiner Freunde Kustaa auf einem Fest mit den Gästen spielt, verliert Jussi auch dieses Zuhause. Diese Art von Missgeschicken wird sich durch sein ganzes Leben ziehen. Denn immer sind es Andere, die ihn lenken und benutzen. Er in seiner fast frommen, wenn nicht gar naiven Unschuld wird stets ins Elend katapultiert. Sei es die Geschichte über seinen Lohn für die Waldarbeiten, den Andere ihm entwenden oder auch seine zukünftige Frau, die ihm auch nie die ganze Wahrheit erzählt oder jener Kriegsrichter am Ende, d.h. am Anfang des Romans, der kaum finnisch kann…

Ein Roman voller Leben. Ein Lebensweg, eines Mannes, der in seinem Alltag auf dem Hof und in der Natur danach strebt, ein menschenwürdiges und anständiges Leben zu führen. Der Roman wurde gekrönt mit dem Literaturnobelpreis und erzählt ein tragisches und anrührendes Schicksal, das dennoch positiven Mut im Leser weckt. Schön, das dieser Leseschatz vom Guggolz Verlag wieder gehoben wurde und somit vielen Lesern erneut zugänglich gemacht wird.

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