Die erste Beschreibung, die nach Beenden des neuen Romans von Ingvar Ambjørnsen „Aus dem Feuer“ einfällt, ist üppig. Die Handlung ist zugespitzt auf den Literaturbetrieb und liest sich gleich dem inhaltlichen Bezug zum wohl nicht nur in Norwegen sehr gefragten Kriminalroman. Es ist ein Antiheld, der uns sarkastisch und unterhaltsam die Kriminalliteraturindustrie vorführt. Es geht nebenbei natürlich auch um Liebe, Schuld und Scham. Diese spannende Persiflage ist daher üppig, weil die Handlung etwas ausufert, ohne aber unglaubwürdig zu werden. Der Roman lebt von der Sprache und den Naturmetaphern. Ingvar Ambjørnsen beschreibt die Landschaft und die Naturszenen auf wunderbare Weise. Die Bilder manifestieren sich im Leser und können durch die Sprache fast sinnlich erfasst werden.
Der Titel „Aus dem Feuer“ ist wörtlich zu verstehen, denn der unsympathische Held verstrickt sich immer mehr und schafft es dennoch, immer wieder aus dem Feuer geholt zu werden. Wobei der Titel auf eine norwegische Redewendung zurückfällt: „Aus dem Feuer in die Bratpfanne“. Auf Deutsch würde man „Vom Regen in die Traufe“ sagen und dieses Sprichwort lässt sich auch gut auf den Protagonisten, den Autor Alexander Irgens, anwenden.
Wir lernen Alexander Irgens kennen, den sogenannten Krimikönig Norwegens. Er ist erfolgreich und lässt sich gerne feiern. Eigentlich träumt er davon, auch mal Belletristik zu schreiben und seine ersten Schreibübungen waren auch Novellen. Durch den Wegfall der Preisbindung und dem Kaufverhalten in Norwegen hat sich die Bücherwelt zum Negativen gewandelt. Die kleinen inhabergeführten Buchhandlungen gibt es so gut wie nicht mehr. Rezensionen und die Kulturseiten verschwinden in den Zeitungen und es findet eine Ballung an Buchhandelsketten und Verlagen statt, die sich hauptsächlich auf die Bestseller konzentrieren. Dies sind meist Kriminalromane von wohl nicht nur in Norwegen bekannten Autoren, die auch in dem vorliegenden Roman erwähnt werden. Da es nur noch wenige unabhängige Buchhandlungen gibt, führen die großen Verlage jeweils eigene Buchhandelsketten, um ihre eigenen Bestseller zu kredenzen. Diese werden von Alexander Irgens als „Kartelle“ bezeichnet. Für eine solche Kette und deren Buchhändlerinnen wurde Alexander für einen geselligen Krimiabend eingeladen. Vorher vergnügt er sich in der Natur, zum Leidwesen einer Ente, mit Vilde, seiner Geliebten. Ehebruch und Untreue sind Vokabeln unter seiner Würde. Er nimmt sich einfach dieses Recht, wie auch viele andere, ohne dabei an seine Ehefrau Ada zu denken, deren Mutter im Sterben liegt. In der egozentrischen Welt von Alexander ist für beide eigentlich nicht viel Platz, denn seine Bedürfnisse stehen für ihn stets an erster Stelle.
Nach dem ausführlichen Dinner, nebst kriminalistischem Rollenspiel mit den Buchhändlerinnen, treffen Alexander und Vilde in einer Bar auf einen MAT, den sogenannten Mann am Tisch. So nennt Alexander jene Menschen, die ihn in Bars oder Restaurants erkennen und um seine Aufmerksamkeit buhlen, egal ob er mit Begleitung oder ohne angetroffen wird. Dieser Mann, ein begeisterter Krimileser und Fan von Alexander, wird etwas zudringlicher. Daraufhin schlägt Vilde mit Alexanders Unterstützung diesen Mann krankenhausreif. Diese Tat überschattet nun das Kommende, denn die Medien und besonders die Klatschpresse interessieren sich ab sofort mehr für diesen Vorfall als für das kommende Werk des Autors. Es ist ein neuer Fall seines Protagonisten Stig Hammer, der erfolgreichste Krimiheld Norwegens. Der Erfolg seiner Krimireihe hat Alexander verändert. Er ist von sich sehr überzeugt und sein Ruhm und der Erfolg sind ihm zu Kopf gestiegen. Der Erfolg seines neuen Krimis scheint auch trotz der negativen Presse vorprogrammiert zu sein, oder gerade wegen der Schlagzeilen. Dennoch zieht sich Alexander zurück. Er flieht vor dem Rummel und folgt der Einladung zu einem Literaturfest in Island. Er geht weiter nach Deutschland, um der Presse zu entkommen und verschwindet vorerst auch einfach aus dem Leben von Vilde und Ada. Aber erst in Norwegen kann er wirklich bei sich ankommen und es kommt zu einem überraschenden Ende, in dem Alexander vorerst aus dem Feuer gerettet wird und auch sein Ego endlich etwas büßen darf…
Ein Hauptprotagonist, der nicht sehr sympathisch ist, der aber dennoch zu fesseln versteht. Eine unterhaltsame Satire auf die Literatur, d.h. Krimiwelt. Am beeindruckendsten sind die Naturschilderungen von Ingvar Ambjørnsen. Ein humorvoller Roman, der geschaffen ist für Lesebegeisterte und Buchliebhaber. Ein ernster Roman, der anregen kann und durch seine gekonnte Sprache und spannende Geschichte für kluge und gute Unterhaltung sorgt.
Liebe Hauke,
ich habe auch gerade „Aus dem Feuer“ gelesen. Obwohl ich Ambørgsen sehr schätze, bin ich hier etwas Zwiegespalten. Die Persiflage kann ich nicht richtig erkenne, dafür wurde alles ziemlich realistisch dargestellt. Aber es ist wieder einmal Ambørgsens Sprache, die das Buch richtig gut macht.
Liebe Grüße von Gisela von „Die Vorleser“