Anne (Tina) Wolf: „Ein ganz normaler Mörder“

Anne Wolf Ein ganz normaler Mörder Heyne

Mal wieder ein Krimi, der mit wenig Blutvergießen auskommt. Ein feiner, spannender und toller Roman.

Im Prolog wird eine Frau, Katinka, entführt. Sie geht fast jeden Tag joggen. Immer wie es die Zeit zulässt, sechs, acht oder über zehn Kilometer. Nach drei Kilometern hat sie ihre Lufttemperatur und ihr Tempo gefunden, so dass das Laufen wie von selbst geht. Sie spürt genau diesen Moment und schaut auf ihr Handy um die gelaufene Strecke mit ihrem Gefühl zu überprüfen. Als sie im Wald steht, hört sie Babygeräusche und findet einen Kinderwagen, in dem aber die Säuglingsrufe von einem im Wagen liegenden Smartphone kommen. Dann wird sie von hinten überwältigt und verliert das Bewusstsein.

Tammo Berg arbeitet bereits seit einem Jahr nicht mehr für die Kriminalpolizei Hamburg. Durch einen tragischen Unfall hat er sein Kind verloren und durch seine nicht behandelte Depression hat ihn auch seine Frau verlassen. Jetzt steht Jens, sein Vorgesetzter, vor seiner Tür. Jens will ihn als Freund besuchen und mit der Polizeiarbeit wieder ins Leben locken. Jens benötigt aber auch Tammos gute Fähigkeiten, die Mimik von Menschen zu lesen. Denn durch eine Krankheit in Kindertagen hat Tammo einen Großteil seines Gehörs verloren und benötigt Hörhilfen. Er hat dadurch aber gelernt sich auf seine anderen Sinne und besonders auf seinen Blick zu verlassen und kann daher gut in Menschen und deren Gesten lesen. Die Kriminalpolizei in Hamburg hat ein Problem und kommt nicht weiter. Der Fall hat auch eine Verbindung zu einem älteren, ungeklärten Fall und Jens möchte Tammo für diesen Fall zurückgewinnen. In einem Waldstück am Stadtrand wurde eine Frauenleiche in einem altmodischen Brautkleid gefunden und eine weitere Frau aus der Umgebung wird vermisst. Die Vermisste ist vom Joggen nicht wiedergekommen. Ihr Mann ist allerdings erst später zur Polizei gegangen, da er sich zu dem Zeitpunkt als Lehrer auf Klassenfahrt befand.

Tammos Interesse ist geweckt und er fährt in das Waldgebiet am Stadtrand von Hamburg. Doch fällt ihm auf, dass die verschwundene Frau wohl eine andere Route gelaufen war als angenommen, denn an dem Tag waren dort Holzfällerarbeiten. Ihr Mann zeigt auch wenig Reaktion und bleibt stets sachlich, fast schon gefühlskalt. Tammo vermutet, die Vermisste eventuell durch die gefundene Frauenleiche zu finden. Er geht davon aus, dass die beiden Fälle zusammenhängen und sie es hier mit demselben Täter zu tun haben. Er fährt nach Kiel, wo die Tote ursprünglich herkam und besucht deren Eltern.

Zwischenzeitlich ist Katinka ihrem Entführer ausgesetzt. Sie ist eingesperrt, bekommt Nahrung und Kleidung gestellt. Doch riecht die Kammer, in der sie eingeschlossen ist, nach Apfel. Sie traut sich nicht, ihren Entführer anzusehen, der sie regelmäßig aufsucht. Als sie fragt, was er will, antwortet er nur, sie soll bleiben, dann würde ihr nichts passieren. Auch weiß der Mann viel von ihr.  Er kennt ihren Namen, weiß von ihrem Kinderwunsch und hat Kontakt mit der im Heim lebenden Mutter. Dadurch hat er nicht nur Katinkas Leben in seiner Gewalt, sondern droht auch ihrer Mutter etwas anzutun.

Die Ermittlungen haben ergeben, dass die Tote zuckerkrank war und ihr Insulin nicht genommen oder es nicht bekommen hatte. Da Tammo nicht mit seinem Freund und Vorgesetzten Jens über seine weitere Recherche gesprochen hat, wird dieser etwas in die Bredouille gebracht. Jens und das alte Team tragen Tammo dies aber nicht nach und hoffen, dass er bald wieder ganz dabei ist. Auch privat nimmt Tammo immer mehr Teil am Leben und fasst langsam den Mut, sich zu verändern. Nach und nach kann er seinen Schmerz loslassen.

Ein Krimi mit viel Gespür für seine Figuren. Der Fall ist abwechslungsreich und schneidet viele Themen an: unerfüllten Kinderwunsch, nicht gelebte Homosexualität und Trauerbewältigung. Die Handlung spielt in Hamburg, Schleswig-Holstein und sogar in Kiel, ist aber weit davon entfernt einer jener typischen regionalen Krimis zu sein, denn sprachlich und inhaltlich wird hier mehr geboten.

Danke an Anne, eigentlich Tina Wolf für die liebe Danksagung. Ich durfte beim Schreibprozess das Manuskript einsehen und etwas am Buch mitwirken.

Anne Wolf Danksagung Hauke Harder

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2 Kommentare

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2 Antworten zu “Anne (Tina) Wolf: „Ein ganz normaler Mörder“

  1. Lieber Hauke,
    das klingt nach einem interessanten Krimi mit vielen zwischenmenschlichen Facetten. Danke für Deine aussagekräftige Buchbesprechung.
    Und wie schön, daß Deine hintergründige Mitwirkung ausdrücklich lobend erwähnt wird.
    Ich glaube, Du wirst noch echt leseberühmt!
    Herzlich grüßt
    Ulrike von Leselebenszeichen

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