Stefan Moster: „Alleingang“

Stefan Moster Alleingang Mare

„Alleingang“ ist ein Roman über die Freundschaft. Über das Gefühl der Zugehörigkeit beziehungsweise auch dem Fremdeln. Gleichzeitig wird das Panorama der achtziger Jahre geöffnet und stellt uns einen Helden vor, der herzlich ist, lieber zupackt als redet und auf die schiefe Bahn gerät.

Stefan Moster gehört zu den feinen, stillen Autoren, deren Werke sich alle lohnen entdeckt zu werden, zuletzt „Neringa“. Mosters Romane sind schöne Bücher, die still und leise große Themen ansprechen und wunderbar geschrieben sind. „Alleingang“ ist sein zugänglichster, eventuell auch sein einfachster Roman, der dennoch eine große Geschichte erzählt und wie ganz nebenbei die literarische Tiefe aufbaut.

Die Handlung spielt an einem Tag. Am Tag der Freilassung von Freddy. Er wird aus dem Gefängnis entlassen und sein Weg in die Stadt, weg von der Haftanstalt, wird eine Reise in seine Erinnerungen und zeitgleich die Geschichte, warum er erneut inhaftiert war.

Zurückblickend wird seine Vergangenheit erzählt. Er wächst in einer großen Familie auf. Die Großmutter kümmert sich um die vielen Kinder. Zumindest ist sie die Erwachsene im Umfeld der Kinder, die in dem heruntergekommenen Haus in chaotischen Zuständen heranwachsen. Freddy schließt Freundschaft mit Tom, der aus einem wohlbehüteten Elternhaus stammt. Zwei Freunde, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Toms Großvater erlaubt den beiden, bei großen Boxkämpfen aufzubleiben, um diese zu später Stunde live im Fernsehen mitzuerleben. Das Bild des Stärkeren, des sich behaupten müssen keimt in Freddy. Beide Jungs träumen von der Freiheit, doch jeder sieht die Welt auf seine Weise. Die Kluft zwischen beiden wird langsam spürbar. Später zieht Tom in eine Studenten-WG, während Freddy seine Ausbildung als Kfz-Mechaniker beginnt. Die Clique um Tom sind alternative junge Menschen, die viel über die politische Situation reden und planen, auf Demonstrationen zu gehen. Freddy ist gerne dabei, macht sich aber weniger Gedanken und ist eher ein Mann der Tat. Die Freunde finden es schick, jemanden wie ihn dabei zu haben, gerade weil er es ja auch ist, der stets den Wagen organisiert, damit sie zu den Demos kommen können. Doch nimmt die Clique eher friedlich an den Demonstrationen teil, um später darüber reden zu können. Freddy begibt sich mitten hinein und schreckt auch nicht vor Gewalt zurück.

Die Differenzen nehmen kontinuierlich zu. Bildhaft wird dies deutlich auf ihrer gemeinsamen Griechenlandreise. Als alle zum ersten Mal das Meer sehen, ist Freddy außer sich vor Glück und kann seiner Begeisterung kaum Ausdruck verleihen. Die anderen wirken verkopft und träge, als sie vor den Gewalten der Natur stehen. Auch die Art, wie die Freunde Freddy behandeln oder ansehen, treibt ihn zu jenem Alleingang. Als er zum Beispiel die Wagen in der Werkstatt ausleiht, gehen seine Freunde damit kopflos und undankbar um. Er selbst wird auch etwas dreister und wird mit dem Besitz anderer sehr freizügig. Er klaut sich zum Beispiel in Amsterdam eine Lederjacke und als ihnen in Griechenland die Reifen geklaut werden, organisiert er diese zurück und bestraft die Diebe auf seine Weise. Seine Bereitschaft zum Handeln stößt bei seinen Freunden meist auf Unverständnis. Sie demonstrieren gegen die Startbahn West, gegen Atomenergie, Pershing-Raketen und proben die freie Liebe. Freddy ist dabei, geduldet, aber gehört irgendwie nie richtig dazu. Doch ist Freddy stets bereit alles für die Freundschaft zu machen und sogar bis zum Äußersten zu gehen.

Ein Roman über Wahrhaftigkeit, Freundschaft, Loyalität und die eigenen Überzeugungen. Stefan Moster erzählt mit einer Leichtigkeit, die enormen Spaß macht und hat einen Helden ins Leben gerufen, den man sehr schnell ins Herz schließt. Das Zeitgeschehen, die politische und gesellschaftliche Entwicklung gehen einher mit den Protagonisten.  Ein toller, gelungener Roman, der seine Tiefe entwickelt und puren Lesespaß verspricht.

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