Eine fast perfekte Novelle, die zum Weinen schön ist. Es geht um die große und ewige Liebe und wird dabei niemals kitschig oder verklärend. Der Text überzeugt durch Inhalt, Form und Wirkung. Ein intensives und schönes Leseerlebnis, das den Rang zur großen Literatur erklimmen wird.
Die Liebenden bei den Dünen sind ein älteres Ehepaar, Romy und Silas. Sie haben sich jung kennengelernt. Es war die Weltliteratur, die sie zueinander brachte. Beide suchten und glaubten fest an die unendliche und wahre Liebe, die sie nun gefunden hatten. Diese hält ewig und hat nur wenige Momente des Zauderns. Es ist eine Liebe, die nicht Besitz ergreift, sondern gewährt und doch die beständige Nähe sucht. Er wird Arzt und sie wird dank ihrer Leidenschaft zur Literatur als Lehrerin tätig werden. Beide machen fast alles gemeinsam. Sie genießen die Zweisamkeit und meiden immer mehr große Menschenmengen. Später haben sie ein Strandhaus und verbringen dort schöne Zeiten. Gemeinsam werden sie alt und hier beginnt die Novelle.
Sie glauben, dass die Liebe niemals erloschen sein kann. Sie wollen im Leben alles gemeinsam machen und auch, wenn der Moment gekommen ist, gemeinsam sterben. Sehr früh hatten sie sich einst dieses Versprechen gegeben. Als Romy an Alzheimer erkrankt, halten sie fest an diesem Pakt. Sobald es mit dem Krankheitsbild schlimmer wird, wollen sie gemeinsam gehen. Es ist ihr Geburtstag und heute soll es geschehen. Der letzte Spaziergang und dann, wenn alles bereits gesagt und gemeinsam erlebt wurde, wollen sie ihr sogenanntes Sterbeli trinken. Sie sitzen in Harmonie vor ihrem Haus in den Dünen und genießen die Eintracht und die Natur. Sie halten sich an den Händen und sind bereit zu gehen.
Wenige Stunden später erwacht Silas. Er kann vorerst die Realität nicht greifen und fassen. Hat er geträumt? Als er die Situation erfasst und neben sich seine tote Frau erblickt, fragt er sich, warum er noch lebt? Hat er sie verraten, sie im Stich gelassen? Hat sie ihn verlassen und nicht an die Gemeinsamkeit im Leben und Tod geglaubt? Kann er ihr nun noch folgen? Er taumelt durch die Gegend, das Haus und somit auch durch seine Erinnerungen. Doch beginnt er seine Erinnerung an die Geschehnisse in Frage zu stellen. Er hat Schuldgefühle, weil er überlebt hat. Das Überleben schmerzt. Dann macht er eine Entdeckung, die ihn vieles anders erscheinen lässt.
Eine klassisch erzählte Novelle, die neben dem Höhe- und Wendepunkt auch einen Kunstgriff am Ende verwendet. Dort, wo Worte nichts mehr sagen können, bleibt das Schweigen…
Eine Text, der nirgends ein Zuviel aufweist, stets ausgewogen mit den Motiven und Figuren spielt. Eine ungewöhnliche und ergreifende Liebesgeschichte. Wer an die Liebe glaubt, sollte diese Novelle lesen. Wer auf der Suche ist nach Literatur, die an Klassiker wie Shakespeares „Romeo und Julia“ oder Aitmatows „Dshamilja“ heranreicht, wird hier fündig.
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