Christoph Höhtker: „Schlachthof und Ordnung“

Christoph Höhtker Schlachthof und Ordnung Weissbooks

Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage…  Der Roman wirkt wie die im Buch beschriebene Droge. Dies ist einer der Illusionen des Werkes, denn es gibt hier unter anderem das Buch im Buch, den Text im Text und somit beginnt sich alles zu vernebeln. Wie kann man das Gelesene nur in Worte fassen, wenn man fast schon angenehm verkatert das Lesen beendet?

Es ist ein Roman, der seine Handlung in die ganz nahe Zukunft verlegt und 2022 beginnt. Es sind diverse Dokumente und Figuren, die immer greifbarer für den Leser werden und gleichzeitig nimmt das losgelöste Schweben durch das irre Buch zu. Anfänglich sucht man noch den Bezug zu den Charakteren im vorangestellten Personenregister, doch benötigt man dieses Verzeichnis immer weniger, weil Marom R500 wohl auch von uns Besitz ergriffen hat. Die Charaktere sind übrigens den verschiedenen Realitätsleveln minus zwei, minus eins und null zugeordnet.

Es ist ein erstaunliches und unglaublich witziges Buch. Anfänglich erinnert es an „Wie die Schweine“ von Agustina Bazterrica oder an „QualityLand“ von Marc-Uwe Kling. Der Autor lässt seine Figuren auch das sagen, was wohl schrecklicherweise oft gesellschaftlich gedacht und viel zu oft auch ausgesprochen wird. Dabei verlässt er mit seinen Charakteren das politisch Korrekte. Das Buch ist übersprudelnd, voller wirrer Ideen und oft grotesk. Aber es ist stets ein Lesespaß, besonders durch den Wortwitz und die durchgeknallte Handlung.

Die Handlung ist global angesiedelt und alle Figuren haben irgendwie Beziehungspunkte miteinander. Zumindest durch eine Wunderdroge und den Autor Gerke im Roman, der auf seine Sprechstunde beim Arzt wartet und sich diese Figuren ausdenkt und erlebt. Es gibt einen Pharmakonzern, Winston Pharmaceutics, der in Deutschland eine Zentrale betreibt. Dieser Konzern hat einen Wirkstoff weltweit durchgesetzt. Es ist die Wunderpille Marom R500, die aus dem chemischen Wirkstoff Marazepam, ein Benzodiazepin, besteht. Eigentlich als Angstlöser entwickelt, ist es ein hochwirksames Psychopharmakon. Eine allmächtige Arznei, die fortan alle schlucken und brauchen. Sei es der Topmanager eines Schlachtkonzerns, der einem Journalisten sein Ferienhaus für dessen geplanten Entzug leiht. Dieser Entzug wird natürlich textlich festgehalten, wie der Versuch der geordneten Schlachtungen jenes Fleischproduzenten. Alle sind der Pille verfallen, auch zum Beispiel die Terroristin, der Mann, der Jagd auf Nazis macht oder auch jener Autor, der einen uralten Arzt aufsucht, um sein Rezept zu bekommen. Alle lieben und brauchen ihr Marom. Aber was gibt diese Droge den Menschen wirklich? Wie sehr sind sie noch sie selbst und kann man der Abhängigkeit entkommen? Politisiert die Arznei oder verstärkt sie das Vorhandene, das was in der Gesellschaft keimt?

Ein synthetischer Roman, wie jene Droge. Der Text ist voll mit diversen Mitteln (ich meine natürlich Handlungen) und Witz. Der Inhalt ist eigentlich schwer in Worte zu fassen, man muss das Buch erleben. Es berauscht und hat somit auch diverse Nebenwirkungen. Zumindest nistet sich das literarische Verwirrspiel in den Köpfen des Lesers ein und polarisiert, erheitert, unterhält und kann auch abschrecken. Ein satirisches, finsteres Werk. Eine ordentliche Schlachtplatte mit 124 Fußnoten. Ein fantastischer Roman, der uns eine Realität vorgaukeln möchte.

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