
B-Sides werden in der Musikwelt als die Stücke bezeichnet, die auf den Singles oder Maxis auf die B-Seite gepresst wurden. Meist sind es Werke, die nicht in das Konzept des regulären Albums passten. Oft sind es Live-Mitschnitte oder Stücke, die in Schubladen schlummerten. Dabei muß es sich nicht immer um Ware zweiter Wahl handeln. Mitnichten bei dem großartigen, aber eventuell irreführenden Titel. Viele B-Seiten hatten die Chance einen Hit zu platzieren. Bestimmt und hoffentlich auch der vorliegende Gedichtband. Hier ist Lyrik wahrlich Rock. Ein Sound, der sich inhaltlich vor AC/DC, Led Zeppelin, Mascha Kaléko und Jörg Fauser verneigt. Die Anspielungen darf man überlesen, wenn man sie nicht erkennt, dies minimiert niemals die Lesefreude. Doch sind sie besondere I-Tüpfelchen.
Der Titel und die Covergestaltung versprechen eine Retrospektive. Das analoge Leben steht hier stets gekonnt neben der neonfarbigen Pixelwelt. Immer schwingt aber etwas Blues mit, um im Bild der Musik zu bleiben. Kein Blues, der bejammert, der sich selbst zerfleischt, sondern den Rock zu seinen Wurzeln führt. Die Kapitel sind auch einer Musik-Anthologie angepasst: INTRO (live / unplugged), LOVESONGS (remastered), B-SIDES, DEMOTAPES und ein Zusatzsong „Taking The Long Way…“
Sechs Jahre nach seiner Istanbul-Trilogie „Taksim Tango“ hat Gerrit Wustmann seine Schubladen und sein Archiv durchsucht. Dinçer Güçyeter vom Elif Verlag hat beständig nachgefragt, ob der Lyriker, der seit 2016 nichts mehr geschrieben hatte, nicht etwas im Verborgenen hat, das sich lohnt, gedruckt zu werden. Somit ist diese Sammlung von Gedichten aus den Jahren 2010 bis 2016 entstanden. Es sind tiefgründige, lesenswerte Texte, die zum Verweilen einladen. Lyrik, die Türen öffnet. Gedichte, die sich einfach gebären, sich als Pulp-Fiction tarnen, wie jener Klassiker, und doch wie ein Progressiv-Rocksong erst beim wiederholten Wahrnehmen das versteckte Mehr preisgeben. Ein Werk, das immer wieder zum Durchstreunern einlädt und man stets meint, Neues finden zu dürfen. Wissen, Witz und Können sind stille Begleiter der Soundgedichte. Ein Buch, in dem man sich gerne verliert.
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