Hila Blum: „Der Besuch“

Blum Cover

„Es gibt Dinge, die können nur in den schmalen Spalten der Nachlässigkeit geschehen, der Unaufmerksamkeit, in einem Wirbel aus Trägheit und Licht. Plötzlich entspringen sie der Phantasie und landen im gelebten Leben.“

Der Debütroman „Der Besuch“ von Hila Blum spielt zwischen einer äußeren Welt und der in Teilen abgeschotteten Innenwelt. Den zarten Seelenpflanzen einer Familie.

Es ist ein Roman, der sprachlich und durch kluge Bilder dem Leser gleich suggeriert, daß die Spannungen im Verborgenen, in dem Unausgesprochen, liegen. Die kleinen alltäglichen Wunden, die mehr verletzen können als jene, die durch Bombenattentate auf den Straßen Menschenleben fordern. Das brutale Äußere steht dem verletzten Familienleben gegenüber und es wird nach Möglichkeit ohne viel darüber zu sprechen weitergelebt…

Das Buch liest sich gut und spannend. Auch wenn es ausführliche Kleinigkeiten eines typischen Familienlebens sind, rutscht der Text nie ab in langweilige Trivialität sondern bleibt auf hohem Niveau literarisch und psychologisch spannend. Die Gegenwart des Romans spielt in Jerusalem wird aber stets in Bruchstücken durch die Vergangenheit unterbrochen. Es wird selten ein Erzählstrang ganz erzählt, sondern es bleiben bis zum Schluß Fragmente, die erst am Ende des Buches ein tiefes Bild einer fragilen Familie zeigen.

Das Liebespaar Nili und Nataniel, das sich erst seit einem Monat kennt, macht Urlaub in Paris. Nach einem Opernbesuch, gehen beide am letzen Tag der Reise feudal in einem Luxusrestaurant essen. Da Nataniel sein Portemonnaie im Opernhaus liegen lassen hat, kommt ihnen ein reicher Mann namens Duclos zu Hilfe. Allerdings ist an diesem Abend noch mehr vorgefallen. Aber nie haben sie sich eingestanden, was wirklich geschehen ist.

In der Gegenwart, in Jerusalem, leben sie das Leben einer modernen Familie und es ist ein Sommer mit einer ungewöhnlichen Hitze. Bereits im Umfeld bahnen sich Katastrophen an: Ein Wohnhaus stürzt ein und ein Junge verschwindet.

Nili und Nataniel haben eine Woche ohne Kinder vor sich, als ein Anruf aus Paris die empfindliche Balance ihres Lebens stört. Duclos, der französischer Millionär, kommt nach Israel und will sie treffen.

Nataniel und Nili lieben und streiten sich. Es geht um Zurückweisungen, Unsicherheit und stets halbe Wahrheiten oder Unwahrheiten in dieser Familie, die aus einem Stiefkind, einem gemeinsamen Kind und einer Ex-Frau besteht. Dieser Alltag spielt sich bis ins Kleinste in einem emotionalen Kreis einer Familie ab, während Terroranschläge draußen die Welt erschüttern. Einer gewaltvollen Welt setzt Hila Blum die Zerbrechlichkeit der Familie entgegen und stellt diese als Konstrukt im Leuchtkasten der Emotionen aus. Die kleinen Risse sind es, die uns auseinanderreißen werden…

Das Buch wurde von Zeruya Shalev bejubelt, von der Presse gefeiert und ist ein emotionaler, gefühlvoller sowie glasklarer Blick in die Seelenwelt von Weltenmenschen.

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Eine Antwort zu “Hila Blum: „Der Besuch“

  1. Pingback: Zeruya Shalev: “Schmerz” | leseschatz

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