Kenneth Bonert: „Der Löwensucher“

Löwensucher

Ein Buch, das mich begeistert hat. Trotz des Umfangs des Buches verbirgt sich in jedem kleinen Abschnitt eine tolle Erzählung und der „Held“ ist ein nicht immer sympathischer Protagonist, dessen Geschichte ich sehr gerne verfolgt habe. Ein umfangreicher, tiefgründiger Roman, der eine Geschichte erzählt, wie ich sie liebe: tragisch-komisch…

Der Autor, Kenneth Bonert, geboren 1972 in Johannesburg, wo er auch aufwuchs, bis er 17-jährig mit den Eltern nach Kanada emigrierte, hat mit „Der Löwensucher“ seinen Romanerstling verfasst, der bereits 2013 den National Jewish Book Award und den Edward Lewis Wallant Award gewann und auf der Shortlist für den Governor General’s Award war.

Der Roman spielt in der Periode zwischen den Weltkriegen. 1924 flieht Gitelle vor dem Pogrom mit ihren Kindern aus Litauen nach Johannesburg zu ihrem Mann Abel, der dort in seiner Uhrenwerkstatt tätig ist. Es ist die Zeit der Großen Depression und viele Juden sehen Afrika als hoffnungsvolles Land. Gitelle, die bereits schreckliches durchlebt hat, träumt von einem besseren Leben, von einem eigenen Haus und ist stets auf der Suche nach Glück. Ihr Sohn, Isaac, durchstreift als Kind mit seinen Freunden das jüdische Ghetto, während die Männer der verlorenen Heimat nachtrauern. Gitelle arbeitet hartnäckig an ihrem Neuanfang und hofft, ihre in der alten Heimat gebliebene Familie nachholen zu können.

Isaac fliegt durch seine erwachsende „Körperlichkeit“ von der Schule. Er fühlt sich körperlich zu seiner Lehrerin hingezogen und wird in einem peinlichen Moment erwischt und muß die Schule verlassen. Dies ist sein Einstieg in die Welt der Arbeiter und Erwachsenen. Auch Gitelle sieht darin eine Chance schneller an die Verwirklichung ihrer Träume zu kommen. Denn Isaac beginnt als Angestellter in einer Umzugsfirma und lernt dabei seine große Liebe, Yvonne, kennen. Da er die leeren Rückfahrten mit dem Umzugswagen auch als günstiges Busunternehmen umfunktioniert, um seinen geringen Lohn etwas aufzubessern, muß er auch diese Stelle bald wieder aufgeben. Später bekommt er die Möglichkeit als Lehrling in einer Autowerkstatt zu arbeiten.

Er lernt in seinen jungen Jahren viele skurrile und schillernde Typen kennen: den fürchterlichen Magnus Oberholzer, ein Sympathisant der antisemitischen Grauhemden, und den Vertreter und Wundermittelverkäufer Bleznik, der ihm immer wieder über den Weg laufen wird. Aber besonders prägt ihn Yvonne, seine große Liebe, die ihn auch zum Nachdenken anregt. Gerade über die „Eingeborenenfrage“, die er bisher nur aus der Sicht eines Weißen betrachtet hatte. Gitelle hat ihn sehr geprägt und ihn zu einem rechthaberischen, klugen Jungen erzogen. Ihre Welt besteht nur aus klugen und aus dummen Menschen und sie hat Isaac gelehrt, stets an sein Wohl zu denken und sich immer zu den Klugen zu zählen.

Ein meisterhaft erzählter Roman, der in einer tollen Sprache geschrieben wurde. Voller tragischer Momente, die aber mit viel Herzblut und Wärme erzählt werden. Teilweise mit toll pointierter Situationskomik und Wortwitz geschrieben.

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8 Kommentare

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8 Antworten zu “Kenneth Bonert: „Der Löwensucher“

  1. Ja, ein wunderbares Buch, wenngleich ich noch 650 Seiten lesen darf…

  2. Hach, ist das schön, wenn man auf eine weitere begeisterte Stimme zu einem Buch trifft! Ich strahle gerade mit der Sonne um die Wette. Es war mir eine große Freude, deine Rezension zu lesen!

    Liebe Grüße
    Klappentexterin

  3. Und ich bin auch schon gespannt drauf. Die Vorfreude ist groß!

  4. Deine Rezension hier hat mich verführt, aber ich muss mich geduldig erweisen. Das schmucke Buchgeschäft hier bei mir um die Ecke hatte den Titel nicht vorrätig, aber die Bestellung ist raus. Es ist zum Haare raufen, eigentlich wollte ich (zwei drei Straßen weiter) nur zum Glascontainer flitzen.

    Liebe Grüße,
    Tanja

  5. Hallo Ihr Lieben,
    vielen Dank für die netten Rückmeldungen. Ich wünsche allen, die das Buch noch lesen dürfen, viel Freude mit dem Text.
    Herzliche Grüße aus Kiel,
    Hauke

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