Dies sind die ersten Romane von Murakami, deren Übersetzung er nun ins Deutsche zugelassen hat. Diese Werke bilden den Grundstein seines gesamten Werkes. Als Vorwort erzählt Murakami seine eigene Geschichte zu diesen kurzen Romanen. Als junger Mensch spürt Murakami den Drang zu schreiben. Er und seine Frau hatten eine Jazz-Kneipe und abends, wenn die Bar geschlossen war, beginnt er auf Servietten seine Ideen und Texte festzuhalten.
In seinem Debüt „Wenn der Wind singt“ sind bereits alle Qualitäten seines großen Schaffens angedeutet. Beide Geschichten eint der namenlose Erzähler und dessen Freund, der nur Ratte genannt wird. Diese beiden Romane komplettieren die „Trilogie der Ratte“, zu der auch „Wilde Schafsjagd“ gehört.
Murakamis Romane bestechen durch ihre einfache Erzählweise und durch die jeweils vielschichtig geschilderten Welten. Es sind Traumwelten, Parallelwelten und verwirrende Momente, die die Protagonisten und uns, die Leser, herausfordern. In den vorliegenden Romanen ist es noch sehr dezent eingesetzt und doch tauchen die Brücken zu den Unter – Parallelwelten durch diverse Symbole und Metaphern auf. So sind es immer wieder Züge, Bahnhöfe und Brunnen, die schöpferische Verbindungen sein können. Verbindungen in die Fremde, in andere Welten. Auch beleben stets Katzen seine Romane, die bekanntlich Schwellentiere sind, die gerne auf Portalen und in Türen zu anderen Welten liegen. Leider müssen diese lieben Tiere ab und zu in seinen Romanen sehr leiden, wohl weil der Mensch ihnen diese Fähigkeit neidet.
Der Wind singt das Lied eines namenlosen Helden, der sich mit seinem Freund Ratte in einer Kneipe trifft. Ratte schreit die Ungerechtigkeiten heraus und ist gleich dem Erzähler stets auf der Suche nach dem wahren Selbst. Es wird viel getrunken, geredet und es ist ein Leben zwischen Studium und Selbstfindung.
Auch die Musik spielt wieder eine große Rolle. Die Jukebox in der Bar oder das private Hören aufgelegter Platten der Helden in diesen Büchern. Es sind Klänge zwischen hartem, aber melodischem Rock, verkopftem Jazz, der die Empfindungen verrücken kann, bis hin zu Klassik mit der Tendenz zur verbindenden Harmonie. Der Erzähler sucht eine Schulfreundin, die ihm mal eine Schallplatte geliehen hatte. Er möchte ihr diese Platte endlich zurückgeben, doch hat er sie nicht mehr und beim Neukauf der Schallplatte trifft er ein sonderbares Mädchen, die einen Plattenladen betreibt und geht mit dieser eine kurze Beziehung ein.
In „Pinball 1973“ wird keine Langspielplatte gesucht, sondern es wird die Suche nach einem Flipperautomaten geschildert. Der Erzähler hatte seinen für ihn größten Erfolg auf diesem Automaten errungen, nach vielen Spielen hat er die höchste Punktzahl erreicht.
Er ist nicht mehr der Student, sondern betreibt nun mit einem Freund ein lukratives Übersetzungsbüro. Seine Mitmenschen bleiben farblos und sind ohne eigene Geschichte, aus der sie plötzlich auftauchen und wieder verschwinden. Er hat eine Beziehung zu Zwillingen, die beide bei ihm wohnen und wie er keine Namen nennen. Er nennt sie einfach Eingang und Ausgang oder beziffert sie, da er sie meist nicht auseinander halten kann.
Auch Ratte taucht wieder auf. Eine Figur, die wie eine Traumfigur agiert oder den Namenlosen spiegelt. Ratte wettert gegen das Materielle und den Wohlstand, wobei er durch sein Elternhaus genug Geld hat, um sein Studium abzubrechen und eines Tages seine Heimatstadt zu verlassen, um Schriftsteller zu werden.
„Es war eine Zeit, in der jeder möglichst cool sein wollte. Als die Schule zu Ende war, beschloss ich, nur noch die Hälfte von dem zu sagen, was ich wirklich dachte. Den Grund dafür habe ich vergessen, aber an diesem Einfall hielt ich jahrelang fest. Und eines Tages entdeckte ich, dass ich ein Mensch geworden war, der nur die Hälfte von dem sagen konnte, was er dachte.“
Murakami spricht mit einer Einfachheit und klaren, simplen Sprache große Momente des Lebens an. Er spiegelt den Traum in der Realität und verwischt diese. Es geht in diesen Büchern auch um die Kunst, die Kunst als Austausch, als Brücke oder als Brunnen zu einer fremden Sichtweise. Nachvollziehen kann man das Erlebte eines Anderen nur durch die Sprache. Die Romane behandeln die Kommunikation als Kunst.
So sind auch die Bücher von Murakami kleine Kunstwerke. Wiedermal ist der Buchumschlag ein transparenter, der eine farbige Blume darstellt. Klappt man den Umschlag beiseite hat sich die bunte Blüte in eine Pusteblume verwandelt.
Eine Pusteblume, die abhängig vom Wind ihre Geschichte forttragen kann. Gleich einem Flipperball, der durch die Mechanik hin und her geschleudert wird und doch kein wahres Ziel hat…