Antonia Michaelis schreibt Bücher für Kinder, Jugendliche und Erwachsene ab 16 Jahren. Eins haben ihre Werke gemein, sie zeigen uns die vertraute Welt, in der stets etwas anderes lauern kann. Als Leser erliest man eine neue Perspektive, eine Welt, die mal Kopf stehen darf, sich im Nebel verbirgt oder uns etwas Märchenhaftes offenbart.
Ihre Texte lesen sich spannend, träumerisch und in Teilen kindlich naiv. Doch ist dies keine Kritik, denn gerade das Naive, das Kindliche in uns, macht unsere Welt verständlicher oder sogar erträglicher.
Ob nun das Buch „Im Auge des Leuchtturms“ ein Kriminalroman ist, wie auf dem Titelblatt angekündigt, sei mal in Frage gestellt. Es ist ein atmosphärischer und intensiver Roman, der zwischen Realität und Traum wandelt. Es ist eine surreale Geschichte im typischen Michaelis-Stil, den ich persönlich sehr mag. Ihre bekanntesten Werke sind wohl ihre Jugendbücher „Märchenerzähler“, „Solange die Nachtigall singt“ und „November“. Doch besonders schätzen gelernt habe ich sie durch „Paradies für alle“.
„Im Auge des Leuchtturms“ erzählt die Geschichte von Nada Schwarz, die sich auf die Suche nach ihrer Vergangenheit macht. Sie will Licht in ihr verdrängtes Unterbewusstsein bringen. Was ist damals, als sie ein Kind war, auf der Nordseeinsel „Nimmeroog“ vorgefallen?
Nada lebt in Berlin. Sie ist jung und sehr erfolgreich. Sie ist die Managerin einer Restaurantkette „Lichthaus“. Jedes Restaurant spiegelt eine andere Jahreszeit und Himmelsrichtung. Wichtig ist immer die Helligkeit. Es darf nichts dunkles zu sehen sein, kein Schatten darf sich im Gästezimmer bilden. Überall müssen genügend Lichtquellen angehende Schattenplätze überstrahlen. Sie lebt ganz für ihre Arbeit. Für Freunde und Familie hat sie nie Zeit. Auch für ihrer Vergangenheit hat sie nichts übrig und sie nimmt sich auch nicht die Zeit, sich mit dieser zu beschäftigen. Nur Frank, ihr Chef, der sehr viel für sie empfindet, steht ihr näher.
Ihr durchgeplantes Leben gerät ins Schwanken, als sie eines Tages eine Postkarte mit einem Leuchtturmmotiv erhält. Der Text der Karte ist eine mystische Aufforderung zu einem Ferienhaus zu kommen. Dort könne man bis hinter den Horizont sehen und eine Dunkelheit wäre immer noch da. Der Absender, der sich nicht zu erkennen gibt, würde sie als Anker brauchen.
Nada macht sich sich auf den Weg zu der kleinen Nordseeinsel, dessen Leuchtturm auf der Karte abgebildet ist. Schon auf dem Weg vom Fähranleger zum blauen Ferienhaus geschieht Unheimliches. Sie hört angsterfüllte Todesschreie im Hain. Ruft dort ein Tier, ein Vogel oder ist es ein Mensch, ein Kind?
Mit dem Einzug in das Ferienhaus, stellt sie fest, dass sie tatsächlich hier schon mal gewesen sein muss. Ihre Eltern, denen das Haus gehört, wollten wohl auch nicht, das sie sich erinnert.
Ihr Aufenthalt auf der Insel wird immer verstörender. Wird sie krank? Bildet sie sich alles ein oder wandelt sie wirklich zwischen Traum und Realität? Immer steht der Leuchtturm im Zentrum ihrer Wahrnehmung als Ziel ihrer Spaziergänge oder als Ort ihrer Träume, in dessen runden Zimmern sie sinnlose Möbel aufbaut. Durch ein altes Telefon spricht sie mit einem kleinen Mädchen, das sie um Hilfe bittet.
Nadas Welt versinkt und wird immer nebeliger. Ihre Träume scheinen Licht in ihre Vergangenheit zu bringen gleich dem Leuchtturm, der auch wieder sein Licht über den Horizont sendet, damit die Seeleute ihren Weg finden.
Nada Schwarz hatte ihre Vergangenheit so sehr verdrängt, begraben, dass ihr wahres Selbst ein kauerndes Etwas in ihr geworden ist, das nun endlich in die Helligkeit möchte. Was ist wirklich damals vorgefallen? Wo endet der Traum und was ist Realität? Was ist den Kindern Nada, Nil und Niente am Leuchtturm passiert?
Antonia Michaelis spielt mit Licht und Dunkelheit. Sie verbirgt in der Geschichte die unterbewusste Angst, die sich gleich einem „Ding“ in der Finsternis versteckt. Als Kind hat man diese Angst in der Dunkelheit immer gespürt, doch als Erwachsener verdrängt man diese, bis sie, wenn man sie nicht zulässt, zu mächtig werden könnte.
Ein märchenhafter Spannungsroman, der gleich Peter Pan in eine Traumwelt der Protagonistin einlädt. Eine Welt voller verborgener Schrecken. Alles kann ein Traumbild sein, die Namen, die das Nichts beinhalten: Nada, Nil und Niente. Selbst die erdachte Insel „Nimmeroog“, die neben Amrum sein soll, erinnert an das wohl große Vorbild: Nimmerland.
Siehe: Lesung mit Antonia Michaelis: Am 23.08.2013 las Antonia Michaelis aus „Paradies für alle“ in der Buchhandlung Almut Schmidt
Siehe auch: Antonia Michaelis „Das Institut der letzten Wünsche“
Das klingt schon wieder nach „Beuteschema“. „Paradies für alle“ habe ich bereits gelesen, „Das Institut der letzten Wünsche“ wartet noch….. Danke für diese weitere Empfehlung!
Liebe Lesegrüße, Heike
Liebe Heike,
ich wünsche Dir viel Freude mit den Büchern. Danke und herzliche Grüße, Hauke