Ein tragischer Familienroman, der in malerischer Kulisse spielt. Das Buch beginnt mit dem Ende der Geschichte im Jahr 2005 auf Mallorca. Die Familiensaga wird rücklaufend durch die Zeiten erzählt und nimmt uns mit ins mediterrane Idyll, das im Rückwärtslauf wohl immer schöner und unentdeckter wird.
Der Autor ist viele Jahre zur See gefahren und hat bereits einige Werke über die Faszination des Segelns geschrieben. Daher ist es nicht verwunderlich, dass dieser Roman ebenfalls Segeln und das Leben am und auf dem Meer beinhaltet.
2005 ist die Engländerin Lulu in ihrem neunten Lebensjahrzehnt angekommen, ohne dass ihr Umfeld davon wirklich etwas mitbekommen hat. Sie wird stets von ihren Gästen als viel jünger geschätzt. Sie betreibt schon länger ein Strandhotel, das stets von vielen Stammgästen bewohnt wird. Durch einen Schlaganfall verliert sie ihre begehrenswerte Erscheinung und ihre vornehme Art. Ihr Vokabular ist vulgär und grob geworden und passt sich etwas der folgenden Sichtweise der männlichen Protagonisten an. Sie geht zu einer für sie ungewohnten Zeit einkaufen und trifft Gerald, ihren Ex-Ehemann, der auch auf der Insel lebt. Beide sind sich Jahrzehnte aus dem Weg gegangen und haben sich nicht gesehen oder gesprochen. Es scheint in beiden ein tiefer Groll zu sitzen, denn bei ihrer Begegnung geraten sie in einen heftigen Streit. Sie stehen an den Klippen und Lulu strauchelt und fällt in die Tiefe. Gerald will sie noch halten, wird dann aber auch mit in den Tod gezogen.
Luc und Aegina, Lulus Sohn und Geralds Tochter aus jeweils zweiter Ehe treffen nun aufeinander, um die Toten zu identifizieren und beginnen sich zu fragen, was seit der sehr kurzen Ehe von Gerald und Lulu im Jahr 1948 passiert ist. Nun reisen wir als Leser Kapitel für Kapitel zurück in die Vergangenheit. Beginnend 2005 dann 1995, 1983, 1970, 1966, 1956, 1951 bis zum erklärenden Jahr 1948. Es ist eine doppelte Geschichte, einmal die in der Gegenwart von Luc und Aegina und dann die tragische Liebesgeschichte von Gerald und Lulu, die eigentlich nur einen gemeinsamen Sommer hatten. Der Spannungsbogen wird getragen von der Frage, was damals passiert sein muss, dass die Liebe zu Hass wurde. Die Geschichte ist durchwebt von Intrigen und Affären. Begehren, Sex und sogar Missbrauch macht eigentlich keinen der Protagonisten zu wahren Helden.
Der Roman ist eine kleine moderne überspitzte Odyssee. Gerald selbst ist mit seinem Segelboot die Irrfahrten des Odysseus nachgefahren und hat die möglichen Schauplätze gesucht und besucht. Seine Reise wird die im Roman wiederentdeckte literarische Sensation. Aber so finden wir auch im eigentlichen Text einäugige Riesen, bezirzende Sirenen und rachsüchtige Circen bis eine im übertragenen Sinne Heimkehr nach Ithaka, d.h. den Balearen, den Klippen von Cala Marsopa möglich ist.
Das Buch hat einige kleine Längen, die ich aber nicht störend fand. Der Roman sollte in einem Guss gelesen werden und kann ein unterhaltsamer Lesespaß für einen Sommerurlaub sein. Es ist ein Schmöker, der durch seinen klugen Erzählstil und die rückwärtige Chronik zu fesseln versteht. Ein unterhaltsamer, tragischer Familienroman mit Insel-Flair. Ich war noch nie auf Mallorca, hatte nun aber mal die Möglichkeit, etwas vom Charme dieser Insel einzuatmen. (Die Fotos zeigen die Küste um Taormina / Sizilien – ich bitte um Verzeihung 😉 )
Deine Rezension las sich so wunderbar und ich bin ganz gerührt. Sehr wahrscheinlich wird mir das Buch auch in die Hände fallen.
Dankeschön!
Viele liebe Grüße, Hauke