Thomas Lang: „Immer nach Hause“   

„Ich wollte ja nichts als das zu leben versuchen, was von selber aus mir heraus wollte. Warum war das so sehr schwer?“ Demian Hermann Hesse

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Ein Künstlerroman, in dem man als Leser schwankt zwischen der literarischen Figur und dem realen Vorbild Hermann Hesse. Der Autor, Thomas Lang, hat sowohl mit Hesses Herausgeber als auch seinen Nachkommen gesprochen und er hat die Korrespondenzen und das Werk von Hesse gelesen, um Hermann Hesse in diesem literarischen Roman aufleben zu lassen. Gleich Klaus Modick, der in seinem Roman „Konzert ohne Dichter“ Heinrich Vogeler, der Worpsweder Künstlervereinigung und dem jungen Rainer Maria Rilke als literarische Figuren Leben einhaucht, taucht durch Thomas Lang nun Hermann Hesse als Protagonist auf. Es ist ein biografischer Roman, der sich mit dem jungen Autor beschäftigt. Hesse wurde am 2. Juli 1877 in Calw geboren und verstarb am 9. August 1962 in Montagnola.

„Immer nach Hause“ beschreibt die Epoche zwischen 1907 und 1919. „Peter Camenzind“ und „Unterm Rad“ sind gerade erschienen und seine Erzählungen „Diesseits“ sind geschrieben und werden gerade verlegt. Hesse ist verheiratet mit der Fotografin Maria (Mia) Bernoulli und die Ehe, das Kind und das Haus haben ihn in die Bürgerlichkeit gezogen. Er fühlt sich unwohl und er hadert mit sich und seiner Umwelt. Dies schlägt sich auch gesundheitlich nieder bei  ihm und seiner Frau. Beim Besuch in einem Bad wird Hesse Zeuge, wie über sein Werk gesprochen und mit der aktuellen Literatur verglichen wird. Er befürchtet, missverstanden und als Unterhaltungsautor angesehen zu werden. Er findet keinen Trost und wird immer nervöser, umtriebiger und rastloser. Seine Frau, die mit der Situation ebenfalls überfordert ist und kränkelt und von Hexenschüssen gepeinigt wird, treibt den grantigen Hermann aus dem Haus zur Kur. Hesse, der von Selbstzweifeln getrieben wird, verschließt sich der Ehe und bleibt oft nur mit sich beschäftigt. Sein sehnsuchtsvoller Blick ist stets auf das gerichtet, wo er gerade nicht ist. Seine buddhistische Sicht wird Hesse erst viel später bekommen und wohl auch die innere Ruhe, denn in diesem Buch ist Hesse ein von Unruhe getriebener. Er verweilt kurzzeitig im Kurhotel in Locarno, um dann, angelockt durch eine Annonce, die mit vegetarischer Küche, Luft- und Sonnenbädern wirbt, zum legendären Monte Verita oberhalb Asconas zu reisen. Mia ist zwischenzeitlich mit dem Kleinkind und dem Hausbau beschäftigt und Hesse findet immer mehr Gefallen an den Lehren und Weisheiten, die er in den Bergen lernt. Seine Rückreise steht ihm bevor und das Ehepaar entfremdet sich immer mehr. 1909 und 1911 bekommen sie zwei weitere Söhne. Hesse, der stets dem Heim und annehmlichen Haus entflieht, reist immer ausgedehnter, diesmal nach Indien, und Mia erkrankt und gleitet in die Depression. 1918 trennen sie sich.

002Lang hat einen einfühlsamen Roman geschrieben. Es entsteht aber ein Bild in mir, von dem ich nicht weiß, ob ich es haben wollte. Ich liebe die Werke von Hesse und als Teenager war ich besonders von „Demian“ und „Siddhartha“ begeistert. Nun geistert in mir ein Lyriker und Schriftsteller, der suizidgefährdet war sowie Aufenthalte in Heilanstalten hinter sich hatte und mit der Ehe und dem Bürgerlichen haderte. Hesse als Nervenbündel? Wie weit ist die Figur in mir nun eine literarische oder eine reale Person? Das Buch hat mich jedenfalls sehr angeregt und fasziniert, gerade weil es ein Künstlerroman über einen der für mich wichtigsten deutschen Autoren ist. Das Buch spielt wohl bewusst in den Jahren seiner Lebenskrise, denn sein großes Werk wird noch folgen. Sein Werk, in dem er sich einer Selbstanalyse unterzog und die Grenzen der Identität und Spiritualität erforschte. So kann ich den Hesse von Thomas Lang als literarischen und unruhigen Geist neben dem literarisch schaffenden in mir ablegen.

Eine lohnende Reise in die Welt des Hermann Hesse.

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2 Kommentare

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2 Antworten zu “Thomas Lang: „Immer nach Hause“   

  1. Das Buch würde ich auch noch sehr gerne lesen. In der Schule haben wir den Steppenwolf gelesen und uns in dem Zusammenhang auch mit Hesse selbst auseinandergesetzt und ich fand die Liste seiner Sanatoriums-Aufenthalte schon damals bemerkenswert. Nach dem Steppenwolf habe ich „Unterm Rad“ gelesen und war absolut hin und weg. Hesses Gedichte lagen auf meinem Nachttisch, wo andere die Bibel haben.

    Viele Jahre später habe ich mich mit meinem damaligen Chef darüber unterhalten, dass ich Hesse im Alter von 17 so toll fand und ihm jetzt fast gar nichts mehr abgewinnen kann und er sagte nur „Na was ist das denn auch für ein Mensch, der mit 17 Hesse nicht liebt? Man ist doch nur 17 um Hesse zu lesen!“

  2. Bri

    Ach nee, jetz wird die Wunschliste immer länger … *hach*. Muss ich wohl lesen … Unterm Rad fand ich äußerst beeindruckend, hätte beinahe beeindrückend geschrieben, was auch stimmen würde. Der Steppenwolf hat mir nie so recht zu gesagt. Aber die Stufen und das wunderbare Buch über ihn und Hugo und Emmy Ball – von Evelyne Hasler „.. und werde immer Ihr Freund sein.“ Hesses Gedicht, vor allem „Im Nebel“ begleitet mich seit meinem ca. 16. Lebensjahr … also klar, ich muss das Buch lesen ,)

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