„Die Wahrheit“, das neue Werk von Melanie Raabe, ist erneut ein ausgeklügelter Thriller, der mit wenig Blutvergießen auskommt, aber einen enormen Spannungsbogen aufbaut. Nach ihrem Debut „Die Falle“ hat Melanie Raabe ihrem zweiten Werk mehr Raum zur Entfaltung gegönnt. Die Charaktere und die nötige Stimmung für diese haarsträubende Geschichte werden gekonnt aufgebaut und geben dem Buch einen spannungsreichen Sog, der sich bis zum Ende hält.
Wir lernen die alleinerziehende Mutter Sarah Petersen kennen, deren Mann vor sieben Jahren verschwunden ist. Ihr erfolgreicher und vermögender Ehemann, Philipp, ist während einer Südamerikareise verschollen. Ein kurzer Rückblick aus seiner Perspektive am Hamburger Flugplatz lässt Zweifel aufkommen, ob er überhaupt abgereist ist oder wirklich ein Entführungsopfer geworden ist. Irgendetwas Schreckliches muss passiert sein, dass ihre Beziehung zu überschatten drohte. Sarah zieht seit seinem Verschwinden den gemeinsamen Sohn, Leo, alleine groß. Lange hat Sarah die Hoffnung nicht aufgegeben und glaubt, dass ihr Mann noch lebt. Sie verkriecht sich und lebt selbst immer zurückgezogener in ihrer Zweisamkeit. Nach sieben Jahren löst sich Sarah von dieser inneren Isolation und möchte einen Neuanfang wagen. Sie gibt sich ein jüngeres Erscheinungsbild, eine neue Friseur und beginnt wieder, sich mit Freunden zu treffen. Gerade in dieser Phase passiert das Unglaubliche. Sie bekommt einen Anruf vom Auswärtigen Amt und ihr wird mitgeteilt, dass Ihr Mann überlebt hat und gerade zurückgeführt wird.
Eine innere Aufregung und Zerrissenheit ist in Sarah spürbar. Sie fährt zusammen mit Leo zum Flughafen, obwohl ihr Mann sie gebeten hat, ohne Kind zu kommen. Sie hatte seit seinem Wiederauftauchen selbst noch keinen Kontakt zu ihrem Mann. Dies hatte er sich so erbeten. Wie ein Mantra übt und wiederholt sie ständig die Worte ihres Wiedersehens während der Fahrt zum Flughafen. Als die Maschine landet, hält Sarah Ausschau nach Philipp. Die Presse und die Beamten lassen um sie eine fiebrige Stimmung aufkommen. Als der Mann vor ihr steht, ist sie sich sicher, es ist nicht ihr Mann. Doch durch die innere Aufgeregtheit und den äußeren Druck wiederholt sie ihr Mantra, dass sie sich freue, dass er endlich wieder da sei. Dadurch verliert sie im Nachhinein ihre Glaubwürdigkeit, als sie allen mitzuteilen versucht, dass dieser Fremde, nicht ihr Philipp ist.
Der Fremde wird mit ihr Nachhause gebracht. Sarah wehrt sich dagegen, sie will diesen Fremden nicht in ihr Haus lassen. Sollte sie aber die Polizei rufen, droht ihr der Fremde, würde ihr schlimmes wiederfahren und ihr bekanntes Leben würde sich auflösen…
Der Fremde nistet sich bei ihr ein und behauptet allen gegenüber Philipp Petersen zu sein. Er bleibt stets ein berechnender, die Kunst des Krieges beherrschender Mann, der den anderen stets glaubhaft zu beweisen versucht, der Vermisste zu sein. Der Fremde scheint auch alles über sie und Philipp zu wissen. Auch einen Gentest würde er machen lassen. Will er schnell seinen Plan, was immer dieser auch zu beinhalten scheint, durchführen, dass ihn dieser Test nicht abschreckt?
Was will der Fremde und wer ist er? Was ist damals Sarah so schreckliches passiert oder was hat sie oder er gemacht? Ist ihr Herz gleich einer Eisprinzessin eingefroren und hat sie erblinden lassen?
Der Aufbau und die Sprache sind gekonnt eingesetzt. Die Spannung bleibt bis zum überraschenden Ende erhalten. Auch wenn man am Ende über diesen Schluss etwas hadern kann, ist alles auf diesen zugeschrieben. Man ist als Leser der Autorin völlig ausgeliefert und wird zwischen den beim Lesen eigenen erdachten Szenarien hin- und hergeworfen. Gleich ihrem Vorgänger „Die Falle“ geht es der Autorin nicht um typische Thriller-Motive, sondern um eine Innenschau ihrer Protagonisten. In „Die Wahrheit“ hat sie dies ausgedehnt und verfeinern können und am Ende erfährt man die ganze Wahrheit!
Ich glaube ich sollte endlich mal anfangen Melanie Raabe zu lesen.
Liebe Grüße, Heike
Ein Wahnsinns-Thriller….und auch das Ende hat mir sehr gut gefallen – es ist sehr glaubhaft und plausibel umgesetzt, zumindest für mich.
Das klingt gut, obwohl es zu ihrem zweiten Roman kritische Stimmen gibt. Ich werde ihn aber auf jeden Fall lesen, denn der erste hat mir sehr gefallen.