Jonathan Safran Foer: „Hier bin ich“

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Als Abraham durch Gott geprüft wurde und der Schöpfergeist jenen rief, sagte Abraham in voller Aufmerksamkeit: „Hier bin ich“. Die Zusage, für jemanden da zu sein und diesem volle Aufmerksamkeit zu schenken, ist eines der großen Themen im Buch. Es ist ein großer Familienroman, der sich durch die Dialoge zügig lesen lässt. Foer schafft es mit wenig Handwerk, die Figuren gleich zu Beginn mit viel Leben zu füllen, dass diese mit der fortschreitenden Handlung den Leser an sich binden.

Julia und Jacob Bloch leben mit ihren drei Söhnen in Washington. Er ist Autor, der bereits einen Buchpreis erhalten hat, jetzt aber mehr für das Fernsehen schreibt. Seine Frau arbeitet als erfolgreiche Architektin. Sie sind eine moderne jüdische Familie, die langsam verlernt hat, miteinander zu reden. Am Anfang der Beziehung und Ehe waren sie offen und ehrlich zueinander und haben alles geteilt und wenige Hemmungen voreinander gehabt. Mit den Kindern ist der Familienalltag über sie hereingebrochen. Dadurch entfremden sie sich immer ein kleines Stück mehr voneinander und drohen daran zu zerbrechen. Die Probleme häufen sich als ihr Sohn Sam kurz vor seiner Bar Mizwa in der Schule mit einer Liste mit rassistischen und homophoben Begriffen erwischt wurde. Er leugnet, diese geschrieben zu haben und Jacob glaubt seinem Sohn. Julia zweifelt und er soll sich gebührend entschuldigen, sonst wäre seine Bar Mizwa bedroht. Zur Feierlichkeit ist die ganze Familie eingeladen und somit stehen sie vor einem großen Problem. Sam ist ein Junge, der alles ganz genau nimmt und lieber ein virtuelles Leben dem echten vorzieht. Ferner ist da noch der Urgroßvater, der sich weigert in ein Seniorenheim zu ziehen und der Familienhund kränkelt auch immer mehr.

Im Anfang des Textes blenden sich sehr freizügige SMS-Nachrichten ein. Jacob ist besorgt und sucht sein Handy und hofft, dass Julia es nicht findet. Er hat sich ein neues Smartphone gekauft und dies seiner Familie verheimlicht. Das Unheil ist vorhersehbar. Im Bad, hinter der Toilette, summt das Gerät und landet somit in Julias Händen. Er hat das familienübliche Passwort gespeichert und sie liest darin eindeutige Textnachrichten. Als sie ihn zur Rede stellt, gibt er zu, diese an eine Kollegin gesendet zu haben. Aber es blieb stets bei diesen Texten und er sei ihr sonst immer treu. Durch das heimliche Handy, die Nachrichten und seine Beichte verliert sie den Respekt vor ihm und stellt seine Männlichkeit immer mehr in Frage. Julia erhebt sich moralisch über ihn, dabei ist sie auch dem Flirten nicht abgeneigt. Als sich auch noch Freunde in ihrem Umkreis scheiden lassen wollen, droht die Stimmung gänzlich zu kippen.

Das Beben innerhalb der Familie bekommt ein äußeres Pendant. Als die israelische Verwandtschaft in Amerika eintrifft, bebt die Erde im Nahen Osten. Dies hat weitere politische und kulturelle Verwicklungen zur Folge. Das Erdbeben bringt Israel in eine schwierige Lage. Durch den Angriff der muslimischen Staaten fordert die israelische Politik alle Juden auf, dem Land beizustehen. In Washington ist Jacobs Großvater verstorben. Er war den Nazis entkommen und nach Amerika geflohen. Jacob ist in einer Sinnkrise und sucht nach seiner Identität. Die Glaubensfrage und der Bezug zur Heimat rumoren in ihm. Doch gerade durch Julias Blick auf seine Männlichkeit und Familientauglichkeit wird sein Tatendrang gemindert und in Frage gestellt.

Es ist ein Roman über das Scheitern in der Ehe. Der Verlust des Glaubens an sich selbst, an die Kraft der Worte und an die Anderen. Die Suche nach Anerkennung gerät in den Vordergrund, ohne das Bewusstsein, eigentlich bereits alles zu haben.

„Die Suche nach dem Glück ist die Flucht vor der Zufriedenheit.“

Endlich nach „Alles ist erleuchtet“ und „Extrem laut und unglaublich nah“ ein neuer Roman von Jonathan Safran Foer. Das Buch sei, so Foer in den Interviews, nicht mehr biographisch als seine anderen Werke. Doch keimt der Verdacht, dass hier sehr viel von ihm selbst in den Text eingeflossen ist. Er ist ein ganz genauer Beobachter und lässt durch die vielen Dialoge die Charaktere wachsen und gibt einen intimen und umfangreichen Einblick in den Alltag einer Familie, deren Konstellation zu scheitern droht.

Es ist ein satirischer Roman, der wunderschön traurig und witzig ist. Es ist ein zitatenreiches Werk mit schlagfertigen und klugen Figuren.

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