Andreas Meier macht es wie viele, er erinnert sich an seinen Werdegang und schreibt große Romanzyklen. „Der Kreis“ ist der fünfte Roman der sogenannten Ortsumgehung. Der Kreis als Symbol hat keinen Anfang und kein Ende. Wenn man den Kreis als Möbiusschleife bindet, auch kein Innen und außen. Jedoch bei der Ausführung, dem Zeichnen eines Kreises, treffen sich der Beginn und der Schluss. So trifft der jetzt vierzigjährige Autor auf seinen Anfang und reflektiert über das Vorläufige und was er daraus gemacht hat.
Ein Werdegang, in dem man sich als Leser an vielen Stellen wiederfindet. Der erste Kontakt mit der Kunst und der Literatur durch den ehrfurchtvollen Blick auf die Bibliothek der Mutter. Dann keimt im Ich-Erzähler die Liebe zur Musik, die melodisch und klassisch beginnt und im Brachialen das Kontroverse sucht und findet. Dann die Berührung durch das Schultheater mit der darstellenden Kunst und der Beginn der Liebe zum Theater und der Sprache als Kunst.
Der Erzähler ist Grundschüler und schleicht sich, wenn die Mutter weg ist, in das Lesezimmer und beginnt in Nachschlagewerken zu lesen. Die belesene und leicht verkopfte Mutter sucht den geistigen Austausch mit diversen Autoren, da sie ihr eigenes belesenes Niveau ihrem Mann nicht zutraut. So ist es die Mutter, die unbewusst oder bewusst den Erzähler als Kind in die Welt der Bücher einlädt. Auch wenn die in Gesprächen gelobten und erwähnten Autoren mit den Büchern auf dem Schreibtisch oder in den Regalen nicht gleich auszumachen sind. Denn der gehörte Name Theo Düschadeng kann vom kindlichen Erzähler nicht als Teilhard de Chardin erkannt werden.
Über die ersten Versuche am Klavier und später am Schlagzeug eines Freundes kommt die Leidenschaft für die Musik. Die klassische Musik bildet den Grundstein der kommenden berauschenden Musik des Rocks. Mit dreizehn darf er mitkommen in die Frankfurter Festhalle zum ersten Heavy Metal Konzert. Um in der Clique mithalten zu können, fachsimpelt er ebenfalls über Bands und deren jeweilige Mitglieder. Der Name der Band wird im Text nicht verraten. Es sind aber die 80er Jahre und es ist eine der lautesten Bands, die damals unterwegs waren. Der Beschreibung nach könnte es gut Motörhead sein. Für viele Rockfans kehrt man gerne mit Andreas Maier in diverse Konzerterinnerungen zurück. Gerade die ersten Rock- und Metalkonzerte, die man als Heranwachsender erlebt hat, stehen bei der Erzählung Pate. Das im Wir-Gefühl berauschte belächeln der Vorband, die man prinzipiell nicht gut zu finden hat. Dann das Warten während des Umbaus und die Aufregung beim Erlöschen des Saallichts und die Vorfreude auf seine Helden, die die Bühne stürmen.
In der Mittelstufe wird in ihm das Verständnis der darstellenden Kunst durch eine Schulaufführung geweckt. Er sieht den damals noch unbekannten Schauspieler Thomas Heinze, dem auch jenes Kapitel gewidmet ist. In der Oberstufe schließt sich der begonnene Kreis und Andreas Maier versteht, dass die Autoren, Musiker und Schauspieler keine entrückten Künstler sind, sondern nahbar sein können. Er kann ebenfalls durch das einfache „Machen“ ein Künstler sein.
Ein Roman, der vieles im Leser erklingen lässt, dass so vertraut und dennoch anders ist. Durch die Schilderung des Alltäglichen wird das Bekannte emporgehoben und künstlerisch beleuchtet. Das Geschilderte wird erfahrbar. Ein sehr humorvoller, realistischer Roman, der viel Freude macht und toll geschrieben ist.
Siehe auch die Besprechung auf: Sounds & Books