Ein unaufgeregter Roman um die Überwindung der Einsamkeit. Zwei alte Seelen finden sich und füllen dadurch ihre Leere, die durch vergangene Verluste entstanden ist. Die Menschlichkeit und die Sehnsucht nach Nähe lassen uns die Protagonisten ans Herz wachsen und dadurch wird dies Buch etwas kleines Wertvolles. Denn die Lebensjahre des Körpers spiegeln nicht das wahre Alter der Seele.
Eines Tages im Mai in Colorado klingelt Addie Moore bei Louis Waters. Sie sind keine direkten Nachbarn, aber innerhalb der dörflichen Gemeinschaft sind sie sich bekannt. Addie fragt ziemlich direkt, ob sie nicht die Nächte miteinander verbringen möchten. Es geht ihr nicht um Sex. Nachts seien die Einsamkeit und die Gedankenmühlen am schlimmsten zu ertragen. Sie ist es leid, ständig allein zu sein. Ihr Wunsch ist es, einen sympathischen und netten Mann neben sich liegen zu wissen, zu reden, das Alleinsein zu verbannen und gemeinsam einzuschlafen. Sie schläft sehr unruhig und meint, dann besser und durchgängig schlafen zu können. Louis, selbst Witwer, hadert und fühlt sich mit dieser Anfrage überrumpelt, aber auch sehr geschmeichelt. Er mag Addie, hat sie aus der Ferne ebenfalls wahrgenommen und beobachtet. Was hat er auch groß zu verlieren?…
Er geht den Vorschlag ein und eine seiner ersten Taten ist der Gang zum Friseur. Seine ersten Besuche sind noch ganz gehemmt und er benutzt den Hintereingang mit einer blickdichten Papiertüte, in der er seine Nachtutensilien mitbringt. Addie möchte, dass Louis sich ganz normal verhält und die Vordertür benutzt. Ihr ist es egal, was Andere über sie reden. Denn dass über sie getuschelt und geredet wird, bleibt nicht aus. In der Gemeinde werden sie ein Thema und es macht sich Missgunst und Neid innerhalb der Nachbarschaft bemerkbar. Aber Addie und Louis trotzen dem und gewöhnen sich aneinander. Die Fremdheit und ihre Schüchternheit überwinden sie schnell. Sie trinkt abends gerne ein Glas Rotwein, hat ihm aber zuliebe auch Bier besorgt. Louis Zahnbürste und Pyjama wandern aus der Papiertüte gänzlich in das Haus von Addie. Als er kurzzeitig krank wird, meint sie, er hat doch noch kalte Füße bekommen, was aber lediglich nur ein kleines weiteres Missverständnis auf ihrem Weg zur innigen Freundschaft ist.
Den Argwohn innerhalb der Kleinstadt ignorieren sie weitgehend. Doch wird der Klatsch an die Tochter von Louis weitergeleitet. Das Hauptproblem entsteht aber mit den Eheproblemen von Addies Sohn. Diese führen zu einem längeren Aufenthalt des Enkels bei Addie. Der Enkel, Jamie, gewöhnt sich schnell ein und mag Louis, den neuen Freund seiner Oma. Sie verbringen einen gemeinsamen Sommer und Jamie bekommt sogar einen Hund aus dem Tierheim. Diese traute Gemeinsamkeit ist dem Sohn von Addie nicht geheuer und er zwingt Addie zu einer einschneidenden Entscheidung…
Der Roman hat eine Leichtigkeit und spielt mit einer zarten Liebe im Alter, die aus einer eher ungewöhnlichen Freundschaft wächst. Beim Lesen bekommt man den Wunsch nach mehr Einfachheit im Leben.
Kent Haruf ist 2014 verstorben und „Unsere Seele bei Nacht“ ist sein letzter Roman, dessen Verfilmung mit Jane Fonda und Robert Redford geplant ist.