Ein Roman, der ohne viel Handlung auskommt. Das, was das Buch ausmacht, sind das Schauen, die Sicht auf die Natur und der Blick ins Innere, in eine einsame Seele. Die ruhige Klarheit und stille Weite des Nordens steht der beständigen inneren, unklaren Gedankenflut entgegen. Die Stille als Einkehr und das Verlieren in der Natur werden durch die leise entschleunigte Naturlyrik von Klaus Böldl in jedem Satz verdeutlicht. Was das Lesen ausmacht, ist die Stille, die sich im Leser einnistet und die Natur wird das Sinnbild des Seienden, in dem wir uns auflösen.
„Seltsam, dass Plätze genauso vernachlässigt und übersehen werden können wie Menschen!“
Der Protagonist, Philipp, ist jemand, der sich als ungesehen empfindet. Dabei sind seine Sinne, besonders sein Blick auf das Umfeld geschärft. Er nimmt alles auf und reflektiert es. Er wird niemals das Gefühl los, sich in seiner neuen Heimat nur vorübergehend aufzuhalten. Er ist ein Gast, der sich in ein Nest gesetzt hat und sich durch die Liebe zur Natur damit abgefunden hat, dass man ihn wohl für abkömmlich hält. Er und Johanna, bei der er lebt, entfremden sich immer mehr, ohne dass einer von beiden ein Wort darüber verliert.
Philipp lebte in Hamburg, als ihm das Nationalmuseum einen Werkvertrag für die Restaurierung eines Chorgestühls aus dem Mittelalter anbietet und er auf die überschaubare Inselwelt der Färöer Inseln zieht. Sein Eremitenleben bekommt durch Johanna eine Unterbrechung. Johanna arbeitet in einem Krankenhaus und hat aus einer vorherigen Beziehung eine Tochter, Rannvá. Zu der findet Philipp einen besonderen, stillen Zugang. Denn Rannvá ist ein genügsames Kind und kann sich allein sehr gut beschäftigen. Sie begleitet ihn auch oft bei seinen Spaziergängen in der Ortschaft und in der Natur. Seine Sinne sind ständig mit der Wahrnehmung beschäftigt. Er nimmt alles in sich auf, die Klänge, die Farben und die Gerüche der Umgebung. Er beobachtet die Menschen, die Natur und besonders die Tiere, wobei es immer wieder die Vögel sind, die seine Blicke auf sich ziehen. Er ist ein Einzelgänger, der mit seinen Erinnerungen, seinem Verdrängten und seinen beständigen Gedanken beschäftigt ist. Besonders als Johanna und Rannvá nach Dänemark zu der Familie reisen und er nun wirklich alleine ist.
Im Gegensatz zu seinen Mitmenschen, die die Welt als etwas Angepasstes ansehen, ist die Welt nicht auf Philipp zugeschnitten. Er ist es gewohnt, ein Einzelgänger zu sein. Philipp ist jemand, dem alles auffällt, der aber selbst nicht auffällig ist. Seine Spaziergänge treiben ihn an. Seine Wege sind ohne Ziel, als würden sie ins Nirgendwo verlaufen, wobei er unbewusst doch irgendwie auf der Suche ist. Das lautlose Inselleben wird in der Idylle gestört, als eine Frau ertrunken im Hafenbecken gefunden wird, die Philipp kurz zuvor am Flughafen gesehen hatte. Sein verdrängtes und nie von ihm bewusst in Augenschein genommenes Innenleben tritt zu Tage und konfrontiert ihn. Gedanken und Erinnerungen aus seinem früheren Leben, als er noch auf dem Festland lebte, erfüllen ihn erneut.
Das Buch spielt mit dem Innen und Außen. Der Charme des Romans liegt in der Sprache und der Beschreibung der Natur. Wer eine handlungsstarke Lektüre sucht, wird nicht fündig, das Buch lebt von der Stille und den Landschaftsbeschreibungen des Nordens.
Der Autor lehrt mittelalterliche skandinavische Literatur an der Universität hier bei uns in Kiel. Seine Liebe zum Norden und zu der Sprache macht er in jeder Zeile erlebbar.
Siehe auch die Besprechung auf: letusreadsomebooks
Ich finde es immer noch schade, dass ich mit dem Roman leider nichts anfangen konnte und das Buch so zur Enttäuschung wurde. Mir war es wirklich zu wenig Handlung und die Naturbeschreibungen waren auch nicht mein Fall. Aber schön zu sehen, dass es hier auch andere Meinungen gibt.
Das Buch wandert sogleich auf die Wunschliste. Ich habe langsam den Eindruck. die Färöer Inseln, allgemein nordische Eilande, werden so nach und nach als interessante literarische Kulisse entdeckt. In mir wecken solche Bücher auch immer wieder die Reiselust. Viele Grüße