Irene Dische schreibt stets mit scharfem Blick auf die Gesellschaft. Diesmal ist es der amerikanische Traum, der wohl nicht nur in heutiger Zeit teilweise ausgetrumpt ist. Es ist eine Familien,- Lebensgeschichte, die die letzten drei Jahrzehnte des letzten Jahrtausends mit viel Verstand, Humor und Fragen beleuchtet. Es ist ein Bildungsroman, der ganz nebenbei auch großartig unterhält.
Immer wieder taucht Jo im Text auf. Wie ein unheilverkündender Engel. Jo ist die Mutter von Duke, der in Gegenwart von Jos Einschüben im Gefängnis sitzt und auf seine Hinrichtung wartet. Der Spannungsbogen ist gleich zu Anfang gesetzt, denn danach beginnt der Roman in der Vergangenheit mit der Liebesgeschichte zwischen Lili und Duke in den siebziger Jahren. Duke Butler wirkt wie ein Träumer und es ist die Liebe zu Lili Stone, die ihn in New York bleiben lässt. Sie ist die Tochter jüdischer Emigranten und kulturell gebildeter Menschen. Ihre Mutter ist Journalistin und ihr Vater ein Komponist. Duke, ein Schwarzer, stammt aus armen Verhältnissen und kommt gerade aus dem Vietnamkrieg. Er ist Trompeter, der nicht wirklich spielen kann, was im Bigband-Sound aber nicht von Bedeutung ist. Duke und Lili kennen sich bereits aus Afrika. Als Duke Fronturlaub hat, nimmt die aufgeschlossene Familie sich seiner an. Man will sich um ihn kümmern. Duke bekommt die Zuwendung, die sich Lili erhoffte. Ein Attest befreit ihn vom Dienst in „Nam“ und er bekommt eine Anstellung im Weinhandel. Da Duke vom Wein nichts versteht, ist er ein Fass, in das eigenes und neues Weinempfinden eingegossen werden kann. Gerade durch seine naive Herangehensweise und blumigen Beschreibungen des Getränks wird er ein gefragter Weinexperte. Er schmeckt die feinsten Nuancen des Weines, ist aber blind gegenüber menschlichen Schattierungen.
Lili tritt als verträumtes Pummelchen mit großer Brille auf. Duke und Lili verkörpern anfänglich das perfekte amerikanische Paar. Er, der ungebildete aus dem Süden, findet die Liebe seines Lebens und bekommt die große Chance aufzusteigen. Auch Lili verändert sich, sie mausert sich im wahrsten Sinne des Wortes. Sie entpuppt sich und als sie auch letztendlich die Brille ablegt wird sie von der Modelwelt entdeckt. Beide machen Karriere in New York und erleben die Siebziger und Achtziger Jahre.
Doch durch die Stimme von Jo und die Verwandlung von Lili in Lilith werden die Tiefen und unterschiedlichen Schattierungen der beiden, der Gesellschaft und der kommenden Geschichte angedeutet. Die Handlung nimmt diverse Wendungen. Lili scheint wie gemacht für die Werbewelt mit ihrer oberflächlichen Weltbetrachtung. Sie beherrscht das Spiel, wohingegen Duke meist kleinste Manipulationen verborgen bleiben. Hinter ihrem weiblichen Charme und ihrer Intelligenz brodelt eine Dunkelheit. Beide sind gutwillige Menschen, die aber auch Diabolisches in sich verbergen.
So webt der Roman einen Bogen über den großen Kontinent und über einen Reigen an Figuren. Weiß trifft auf Schwarz und es sind die Schattierungen dazwischen, die das Buch ausmachen. Der amerikanische Traum vom einfachen, ungebildeten Menschen zum gefragten Experten und Medienstar. Die Gier nach Wohlstand, Glamour und Geld steht der Liebe gegenüber. Eine Liebe, die aber auch zerstörerisch sein kann. Ein Roman, der sich mit vielem auseinandersetzt und genauestens beobachtet. Mit viel Hingabe und Humor werden die Nuancen der individuellen Träume der gesellschaftlichen Realität gegenübergestellt und überspitzt. Es kommt zu schockierenden Ausbrüchen, Bekenntnissen und brutalen Übergriffen. Schwarz und Weiß als Kontrast zweier Nicht-Farben, die in sich das ganze Spektrum der Farben verbergen. Das Buch macht irgendwie atemlos und versteht zu begeistern.