Der Roman handelt von einer Familie, die auf der Suche nach innerem Frieden ist und letztendlich doch am fehlenden Lebenssinn eines Manisch-Depressiven zerbricht. Es ist eine englisch-amerikanische Familie, die sich alle sehr lieben und doch unterschiedliche Wege gehen. Ihre Hilfe, die sie sich gegenseitig anbieten, kann nur bedingt die Person retten und zu dem Menschen werden lassen, den er selbst in sich sieht. Ist unsere Psyche, unsere Seele, d.h. unser Innenleben, von vornherein vorbestimmt? Kann eine Flucht aus dem eigenen Kerker des gegebenen Charakters gelingen? Adam Haslett schreibt sehr sensibel und tiefgängig über das Innenleben und das Erleben einer Depression. Der Roman erzählt die Geschichte einer Familie aus unterschiedlichen Perspektiven. Jedes Kapitel ist aus der Ich-Ansicht eines der Familienmitglieder geschrieben und so baut sich sehr kunstvoll das ganze Panorama des Versuchs des Zusammenhalts, der Mutter- und Geschwisterliebe sowie der wachsenden seelischen Krankheit auf. Sehr feinfühlig und präzise geht der Autor zu Werk und erzählt damit eine sehr emotionale Geschichte und erschafft handfeste sowie stets glaubhafte Charaktere.
Die Handlung beginnt in den sechziger Jahren. John und Margaret lernen sich kennen und lieben. Er ist Engländer und seine ganze Art ist fast schon klischeehaft Britisch. Margaret, die junge Amerikanerin, wollte einen Neuanfang in London, fern ihrer Familie. Sie lieben sich, stellen sich eine gemeinsame Zukunft vor und verloben sich. Aber sie kennen sich noch nicht gut genug, denn als Margaret von einem Familienbesuch nach London zurückkehrt ist John in einer psychiatrischen Klinik. Er ist Manisch-Depressiv und seine inneren Dämonen sind wie Ungeheuer, die sich bei ihm eingenistet haben und sich nach eigenem Ermessen zeigen und ihm den alltäglichen Sinn rauben. Doch ist dies nicht das Ende der Beziehung. Margaret entscheidet sich für ein gemeinsames Leben, verlangt aber von ihm die beständige Arbeit am Selbst. Sie heiraten und bekommen drei Kinder: Michael, Celia und Alec. Doch bleibt es stets ein Leben mit der Krankheit. Dies zeigt sich besonders in einer Szene: bei einem Ausflug im Urlaub. Sie nutzen die freien Tage in der Natur auf einer menschenleeren Insel. John ist mit zweien seiner Kinder mit einem Boot hinausgefahren und legt sich einfach auf den Boden des Bootes. Er verlangt von den Kindern, sich vorzustellen, er sei fort und sie müssten nun alleine zurechtkommen. Bei all der einsetzenden Panik der jungen Kinder, bleibt er still und spielt den Toten.
Was folgt, ist die Geschichte der Kinder. Wie weit lässt sich das Erlebte mit dem Vater verarbeiten und besteht die Gefahr der genetischen Vorherbestimmung? Eines der Kinder, Michael, leidet ebenfalls an der Labilität des Vaters. Er ist ein kluger Junge, dessen Phantasie oft mit ihm durchgeht. Dies zeigt sich erneut auf dem Wasser. Seine Briefe an seine Tante, während einer Schiffspassage, sind eher der kindlichen Phantasie entwachsen als das tatsächlich Erlebte an Bord. Bereits als Kind liebt er die Pop- und die Discomusik. Er interpretiert in die Leichtigkeit jener Tanzmusik stets seine empfundene Schwere der dahinstampfenden Textpassagen hinein. Auch ihn holen jene Ungeheuer des Vaters ein. Die Schatten seiner eigenen Krankheit versucht er mit dem ständigen Einnehmen von Pharmaka zu bekämpfen. Doch ein Manisch-Depressiver durchlebt Kurven und ist nicht immer depressiv, sondern kann zuweilen auch sehr witzig sein. Celia und Alec sind immer greifbar für Michael und die Geschwisterbande wird getragen durch die Sorge um ihn. Celia sucht ihr Heil in ihrer eigenen Ehe und der Tätigkeit im Sozialen. Alec lebt seine Homosexualität aus und beginnt, journalistisch tätig zu werden. Dann bleibt da noch ihre Mutter, die in der Welt der Bücher ihren Seelenfrieden sucht.
Ein facettenreicher, feinsinniger Familien- und Liebesroman, der vom Schatten eines Krankheitsbildes erzählt. Ob es den ersehnten Seelenfrieden für die Protagonisten gibt? Ein fesselnder und tiefgründiger Roman, der die großen Themen leichtfüßig umspielt. Der Wunsch oder die Illusion der Selbstbefreiung innerhalb einer Familie und der Gesellschaft sind die Verbindungen dieser vielen Perspektiven, die von den Figuren und, wohl besonders persönlich, vom Autor selbst erzählen.
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