Pippa Goldschmidt ist einfach eine großartige Schriftstellerin. Ihre Texte berauschen, sind feinfühlig, humorvoll und klug. „Weiter als der Himmel“ ist ihr Debüt, ein Wissenschaftsroman, Kindheitsgeschichte und beinhaltet tragische sowie satirische Momente. Man liest den Roman, der zwischen „Damals“ und „Jetzt“ wechselt, wie elektrisiert. Mit viel Gefühl und Verstand wird die Geschichte der frisch promovierten Astronomin Jeanette erzählt, die eine Entdeckung macht, die unsere Weltsicht verändern könnte. Der Blick ins Universum ist immer ein Blick in die Vergangenheit. Das Licht, das wir sehen, hat bereits eine lange Reise hinter sich. Jeanette blickt also stets zurück. Sie muss sich mit ihrem Privat- und Familienleben auseinandersetzen, um sich selbst nicht gänzlich zu verlieren. Pippa Goldschmidt weiß, worüber sie schreibt. Sie ist promovierte Astrophysikerin und arbeitete mehrere Jahre als Astronomin am Imperial College, anschließend im öffentlichen Dienst, u.a. in der Weltraumbehörde.
Jeanette macht an einem Teleskop in Chile eine sensationelle Entdeckung, die die Urknalltheorie in Frage stellen würde. Das Universum dehnt sich immer weiter aus und die Galaxien driften immer weiter voneinander ab. Doch hat Jeanette ein Bild von zwei Galaxien, die verbunden zu sein scheinen. Voller Zweifel versucht sie, die Daten zu analysieren und sachlich zu interpretieren. Sie hadert mit einer Veröffentlichung. Wobei ein wissenschaftliches „Paper“ ihrer Karriere förderlich sein könnte. Einer der führenden Astronomen, unter den Kollegen „Todesstern“ genannt, fördert sie und schließlich veröffentlicht sie ihre Ergebnisse. Damit bringt sie fast die ganze wissenschaftliche Welt gegen sich auf. Auch privat hat Jeanette ihre Probleme: ihre Gegenwart wird durch ihre Vergangenheit bestimmt. Ihre Schwester starb damals beim Schwimmen unter mysteriösen Umständen und ihre Eltern haben sich seitdem in Stille gehüllt. Stets sind in Jeanette das Gefühl und die Frage, warum ihre Schwester und nicht sie selbst verstarb? Sie sucht im Himmel also nicht nur nach Antworten bezüglich der wissenschaftlichen Gesetze, sondern nach den Umständen, die ihrem Leben eine Schwere geben. Auch ihr Liebesleben zermartert sie, denn ihre Freundin kann sich zwischen einer Freundschaft als Mitbewohnerin oder Lebenspartnerin nicht entscheiden. Jeanette muss für alle Fragen die Wirklichkeit finden, die für sie stimmig ist, um nicht in den Weiten des Lebens zu versinken, d.h. verloren zu gehen.
Ein lehrreicher, witziger und kluger Roman. Das Bild des sich ausdehnenden oder eines beständigen Weltalls mit den einzelnen Galaxien und Sternen, die wir nur in deren Vergangenheit erblicken können, steht für das menschliche Miteinander. Alles scheint verbunden zu sein. Jede Bewegung, Veränderung oder Handlung erzeugt eine Reaktion, auch wenn der Raum zwischen den agierenden Objekten riesig erscheint. Gibt es überhaupt ein gänzliches Nichts?
Pippa Goldschmidt hat mich bereits mit ihren Storys „Von der Notwendigkeit, den Weltraum zu ordnen“ sehr begeistert (bei der deutschen Ausgabe werde ich auch auf dem Klappentext zitiert). Ihr Debütroman fesselt ungemein und spiegelt unser Leben im Abglanz des Weltraums. Der deutsche Titel (Original: „The Falling Sky“ übersetzt von Zoë Beck) stammt von der Autorin und bezieht sich auf ein Gedicht von Emily Dickinson.
Ein Aufruf: Pippa Goldschmidt gehört gelesen!