Tanya Tagaq: „Eisfuchs“

Tanya Tagaq Eisfuchs Kunstmann

Literatur erschließt stets neue Welten. Menschen, Kulturen und Landschaften, die man selbst noch nicht erleben konnte, werden durch die Kunst der Bücher lebendig. „Eisfuchs“ ist ein besonderes Buch.  Es ist ein Eintauchen in eine spannende, fremde Welt.

Tanya Tagaq ist eine Performerin, Komponistin und Sängerin, die besonders durch ihre Kehlkopfgesänge bekannt ist. Gleich ihrer Musik beinhaltet nun auch ihre Literatur mehrere und vielschichtige Eindrücke. Die Inuk aus dem kanadisch-arktischen Archipel hat die indigenen Traditionen kunstvoll in die Moderne transformiert. „Eisfuchs“ ist ihr belletristisches Debüt und ist fast schon ein modernes, schamanisches Märchen. Es ist magischer Realismus.

Es spielt in einem Städtchen am Rande des Eismeers im Norden Kanadas. Die Ich-Erzählerin schildert ihre Erlebnisse in dieser eisigen Umgebung. Die Natur ist stets übermächtig und wird fast verehrt wie eine Gottheit. Das gute Göttliche ist stets weiblich, wie sich in Folge zeigen wird. Ein Mädchen, das bildreich vom Erwachsenwerden in dieser urbanen Landschaft und dem Zusammenleben in dieser abgelegen Welt, nahe dem Pol, erzählt. Die Erwachsenen feiern laut, trinken, bedrängen und befingern nicht nur die Erzählerin unangenehm. Auch innerhalb der Kinder- und Schulgemeinschaft gibt es einige Hierarchien. Die Kinder erleben die Natur und nutzen diese als Spielfeld. Um dem Alltag zu entfliehen, beginnen sie mit dem gefährlichen Schnüffeln. Sie organisieren sich, nicht immer legal, Substanzen wie Lack, Benzin, Klebstoffe, um sich damit zu berauschen.

Der Glaube an die Allbeseeltheit der Natur wird immer vordergründiger. Neben der Trostlosigkeit der Arktis entdeckt und erlebt die Erzählerin die alten Mythen. Sagengestalten und Geistererscheinungen begleiten ihren menschlichen Weg zum Erwachsenwerden. Die Erscheinungen, Träume oder Wahrnehmungen können sinnlich oder auch bedrohlich wirken. Diese Beobachtungen und Wesenheiten können sich auch mit der Realität verschmelzen und neues Leben gebären. Leben getrennt in weiblich (gut) und männlich (böse) erblickt zum Beispiel im Text durch den Zauber des Polarlichts das Licht der Welt. Alles ist metaphorisch oder erlebte Mythen. Tiere wie Molche, Eisbären, Seehunde oder Füchse sind Freunde, Boten oder wichtig zum Überleben. Besonders der Eisfuchs taucht immer wieder im Leben der Erzählerin auf. Aber gleichzeitig sind es auch heranwachsende Kinder, die wie alle Partys feiern und sich wie Teenager zurechtmachen möchten. Leider ist dies in der eisigen Einöde nicht immer machbar. Kältefrei gibt es zum Beispiel in dieser Region erst bei gefühlten minus 50 Grad.

Ein Buch voller Bilder, die befremden, Rätsel aufgeben und berauschen. Naturpoesie und Lyrik tauchen immer wieder im Text auf und schaffen ein bewegendes Leseerlebnis der besonderen Art. Das Buch wurde aus dem Englischen (Split Tooth) von Anke Caroline Burger übersetzt und wird ergänzt durch Illustrationen von Jaime Hernandez.

Das zentrale Bild des Buches ist, dass wir Menschen gut daran täten, die Natur ihren natürlichen Lauf nehmen zu lassen. Der Ton der Welt erklingt auch in uns, nur haben wir verlernt, auf diesen zu hören. Ein Roman, der die Welt wieder ein Stück größer, mystischer und lebendiger macht.

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