Meena Kandasamy: „Schläge“

Meena Kandasamy Schläge Culturbooks

Der Untertitel lautet „Ein Porträt der Autorin als junge Ehefrau“. Meena Kandasamy ist ein gewaltiger autobiografischer Roman gelungen, der begeistert und unter die Haut geht. Doch findet sich ihn ihm auch die Hoffnung auf die Kunst. Die Kunst, die Sprache und die daraus resultierenden Bilder sind als Ventil und Vermittler der Emotionen wichtige Bestandteile der Gesellschaften. Der Roman ist zart poetisch und herb gewaltig. Es geht um eine junge Frau, die Autorin, die von ihrem Mann gedemütigt, isoliert, geschlagen und missbraucht wird. Sie kann sich durch die Unbesiegbarkeit der Sprache befreien und fixiert ihr Drangsal in Form von literarischer Kunst.

Nachdem sie geflohen ist, kehrt sie heim. Ihre Mutter will die seelischen Schmerzen nicht wahrnehmen, sondern befreit sie vorerst vom körperlichen Schmutz. Zum Beispiel sind es die Läuse, in der Erzählung der Mutter werden es immer mehr, die der geschundenen Frau vom Kopf fallen. Diese Verwahrlosung ist dem Ehemann geschuldet. Doch auch die Füße, die die junge Frau auf ihrer Flucht getragen haben, rücken in den Betrachtungen der Mutter in den Vordergrund. Der Vater beweint und verarztet die Wunden der Tochter. Wie sieht es im Inneren der Frau aus? Meena Kandasamy will ihre Geschichte erzählen und erlebbar machen. Sie verarbeitet durch das Schreiben ihr Erlebtes und will ihre eigene Geschichte zurück. Jetzt ist sie eine Autorin, Übersetzerin und Aktivistin. Sie wurde in Chennai geboren und lebt jetzt in London.

Sie erzählt, was ihr zugestoßen ist. Sie ist jung und lernt einen Universitätsdozenten kennen und lieben. Er wirkt auf sie imposant und charismatisch. Nach der Ehe wird ihre bisherige Welt abgeschlossen. Mit der räumlichen Veränderung beginnt die eigentliche Isolierung. Sie ziehen in eine Region Indiens, wo sie gänzlich der Kommunikation beraubt wird. Sie spricht nicht die dortige Sprache und ihr Mann verbietet ihr die sozialen Netzwerke und verlangt ihre Passwörter für ihre Profile und Mail-Adressen. Immer mehr wird ihr das eigene Leben und besonders ihre Freiheit geraubt. Durch seine Ausbrüche erahnt sie das Kommende und er beginnt sie zu schlagen.

Die Entwicklung der Isolierung und Gewalt steigert sich kontinuierlich. Die physische und psychische Last und Gewalt wirken wie eine Lawine, die langsam über die Frau und jetzt über den Leser hinwegrollt. Der vermeintlich perfekte Mann aus der kurzen Kennenlernphase ist ein Monster geworden oder war es bereits schon immer, nur konnte er sein eigentliches Wesen anfänglich vor ihr kaschieren.

Durch die Literatur gewinnt sie ihre Freiheit zurück. Es beginnt mit imaginären Liebesbriefen, die sie schreibt, um zu schreiben und zu fühlen. Sie vernichtet diese Briefe sofort wieder, somit sind diese Texte nichts Bleibendes. Nicht aber das Resultat daraus. Sie lernt ihre Stärke zu erkennen und sie schwört sich, sich zu wehren und zu befreien. Ihr Widerstand ist letztendlich ihre Geschichte, ihre Sprache und gipfelt in diesem brillanten Buch.

Ein schockierender, lesenswerter und wichtiger Roman. Das Buch ist heftig und toll zugleich und zeigt, warum Literatur und Kunst so wichtig sind. Das Buch wurde aus dem Englischen von Karen Gerwig übersetzt.

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