Alexa Hennig von Lange: „Die Wahnsinnige“

Alexa Hennigvon Lange Die Wahnsinnige DuMont

Der Kampf einer Frau, die ihre Emotionen zeigt und lebt, um Selbstbestimmung und Freiheit. Es ist ein Roman vor historischer Kulisse. Johanna I. von Kastilien ist Infantin und könnte den Thron eines Weltreiches erben. Doch geht sie in die Geschichte als Johanna die Wahnsinnige ein. Alexa Hennig von Lange hat diese historische Persönlichkeit zum Glück gefunden und schreibt über sie einen Roman, der das womögliche Leiden dieser Frau in Literatur verwandelt. Viel zu lange war der Wahnsinn weiblich. Frauen wurden sogar noch bis in das 19. Jahrhundert als Wahnsinnige oder Hysterikerinnen weggesperrt. Dieses Schicksal ereilte auch Johanna von Kastilien. Doch war sie wirklich eine Wahnsinnige?

Johanna von Kastilien wurde 1479 in Toledo geboren und starb 1555 in einem Kloster in Tordesillas, in dem sie die letzten fünfundvierzig Jahre ihres Lebens in Gefangenschaft verbracht hatte. Bis zuletzt war sie Titularkönigin von Kastilien, León, Aragón und dem neu entdeckten Amerika (westindische Inseln und Festland am Ozean). Sie hat diesen Titel nie angestrebt und er fiel ihr auch letztendlich erst zu, als alle anderen, die Anrecht auf den Thron hatten, verstorben waren.

Der Roman beginnt mit einem Brief, den Johanna von Kastilien an ihre Tochter im Jahr 1525 schreibt. In diesem wird der tiefe Wunsch nach einer besseren Welt spürbar. Ein Sehnen nach Freiheit in einer verrückten und männerdominierten Welt. Doch möchte man eine Welt neu formen, muss man sich selbst verändern. Die Handlung beginnt 1503 in der Festung La Mota. Johanna von Kastilien soll hier aus Sicht der Menschen ihres Umfeldes zur Vernunft kommen. Ihre Mutter, Isabella, die Königin, regiert mit herrischer Hand und strenger Härte. Viele starben durch ihren Erlass auf dem Scheiterhaufen. In ihrer Tochter sieht sie nicht die Erbin ihres Weltreiches. Johanna bedeutet die Macht nichts. Sie hat ein Gespür für Ungerechtigkeiten und zeigt ihre Gefühle und lebt diese oft aus. Sie wurde, als sie noch ein Kind war, mit Philipp dem Schönen aus Flandern verheiratet. Diesen hat sie schon länger nicht mehr gesehen. Anfänglich wurde aus der politischen Hochzeit auch Liebe. Doch Philipp ist untreu und hält sich viele Mätressen und somit schwindet die Hoffnung auf Liebe in Johannas Welt und es wächst in ihr Wut, Trauer und Schmerz. Diese junge, verletzte Frau will 1503 zu ihrem Mann, um mit ihm zu reden und ihm ihre Wut zu präsentieren. Doch wird sie auf Geheiß ihrer Mutter festgehalten. Sie wird durch die Bediensteten und die Kirchendiener betreut und bewacht. Sie geht nicht zur Beichte und fordert ihr Umfeld heraus. Sie will ihre Freiheit, die anscheinend nur den Männern vorbehalten ist. Sie möchte Liebe erfahren und für ihr Leben selbst Entscheidungen treffen dürfen. Sie, die als Jugendliche verheiratet wurde und Kinder bekam, als sie selbst noch eines war, beginnt ihre Emotionen zu zeigen. Oft sind es Wutausbrüche. Doch ist sie deshalb eine Wahnsinnige? Hat sie ihre Gefühle nicht unter Kontrolle oder will sie nur menschlich behandelt werden in einer Zeit, in der Ungerechtigkeit und das Streben nach Macht vordergründig waren? Ist es das Umfeld, das wahnsinnig war oder hat es diese junge Frau wahnsinnig werden lassen? Diesen Fragen geht die Autorin nach und hat damit einen historischen Roman geschrieben, der durch den Blick zurück ein Bild der Gesellschaft beschreibt. Eine Welt, in der Machtmissbrauch, Ausbeutung und Härte immer weiter verfeinert wurden und sich eventuell bis heute nicht groß verändert haben.

Alexa Hennig von Lange hat ihren Stoff gefunden und füllt diesen mit Leben. Der Roman erzeugt eine passende Stimmung und trotz der modernen Fingerzeige ist es ein Roman im historischen Gewand. Die innerlich rebellische Autorin hat eine Persönlichkeit zum Leben erweckt, die ihr somit aus der Seele gewachsen wirkt. Der Roman beschreibt den Wunsch nach Individualität in Bezug auf das Umfeld und die eventuelle Bestimmung. Ein sehr lesenswerter Roman.

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