Yaa Gyasi: „Ein erhabenes Königreich“

In diesem Roman stehen sich stets Wissenschaft und Glauben gegenüber. Aber auch die Suche nach Glück und das Belohnungsstreben. Dieses Streben kann psychologisch problematisch werden und in eine Depression oder in einen unstillbaren Vergnügungshunger gleiten. Es ist die Geschichte einer schwarzen Wissenschaftlerin in den USA und ihre Auseinandersetzung mit Familie, Religion, Liebe und Rassismus.

In der Wissenschaft sucht Gifty nach Erklärungen. Wie konnte ihr Bruder sich so sehr einer Sucht hingeben, an der er letztendlich starb? Kann sie durch ihre neuronalen Tierversuche die Depression ihrer Mutter und die Welt allgemein besser verstehen? Der Mensch will glauben, sucht aber beständig nach Beweisen. Dies hat ihn auch letztendlich dem natürlichen Paradies entfremdet. Je weiter der Mensch wissenschaftlich in den Mikro- und Makrokosmos vordringt, desto mehr zweifelt er am Glauben. Kann die rationale Wissenschaft Gifty helfen oder das Erlösungsversprechen der Kirche?

Gifty erinnert sich oft an ihre Mutter, wie sie im Bett liegt und zu keiner Regung zu motivieren ist. Auch jetzt, als die Mutter wieder auftaucht. Die Mutter leidet an einer Depression und ist aus Alabama nach Kalifornien gekommen. Hier ist Gifty in einem Labor tätig. Sie erforscht die Gehirnströme und das Suchtverhalten von Mäusen. Durch moderne Technologien, die den Mäusen zugemutet werden, wird das feine neuronale Netz sichtbar. Dies ist heutzutage kein Science-Fiction, dennoch heißt der Kollege von ihr Han, der auch ein großer Bezugspunkt in Giftys Leben ist. Ein Versuch an den Mäusen ist die Belohnung durch das Drücken einer bestimmten Taste. Nach einiger Zeit bekommen die Mäuse durch dieselbe Taste, die ihnen Glück brachte, nun unregelmäßig kleine Stromschläge. Die meisten Tiere lernen sofort und kommen der Taste nicht mehr nahe. Aber es gibt welche, die auf der Suche nach dem Glücksmoment immer wieder diese betätigen und dabei den Schmerz billigend hinnehmen. Dieses grausame Spiel ist eine Metapher, die die Autorin nun in ihren Figuren reflektiert.

Die Familie ist aus Ghana geflüchtet. Sie waren zu viert und nun sind es nur noch Gifty und ihre Mutter. Der Vater ist eines Tages zurück nach Ghana gegangen. Giftys älterer Bruder war stets ein Suchender und seine Bestätigung im Leben erhoffte er sich im Sport. Letztendlich stirbt der geliebte Bruder am Drogenkonsum. Die Welt gerät aus den Fugen und das Bild des Verrückens wird am Anfang des Buches deutlich, als eine Tante schamlos auf einen Verrückten hinweist. Doch was macht einen Menschen zu einem Verrückten? Die Mutter suchte stets ihr Seelenheil in der Kirche. Nach der Emigration hat sie sich einer sehr konservativen Gemeinde angeschlossen, die auch Rassistisches in ihrem Kern duldet, den Giftys Mutter beharrlich ausblendet.

Als Gifty von ihrer Mutter aufgesucht wird, kommen die Erinnerungen und mit diesen die großen Themen. Besonders die Widersprüche der Wissenschaft und der Religion, die in Gifty hadern. Schon früh hat sie das Gespräch mit Gott gesucht und die Auseinandersetzung erfolgte dann in Folge schriftlich. Antworten erhofft sie aber letztendlich in den Neurowissenschaften zu finden. Auch geht es in ihrer Familie um ihr Schicksal als Auswanderer und den immer noch gelebten Rassismus.

Ein lesenswerter Roman, der leichtfüßig große Themen anspricht und behandelt. Das erhabene Königreich setzt sich aus vielen Bausteinen zusammen, das das Fundament auf Leben, Sucht, Depression, Wissenschaft und Glauben stellt. Ein bildendes und unterhaltsames Werk über Familie, Verlust und Gemeinschaft. Übersetzt aus dem Englischen wurde das Buch von Anette Grube. Achtung, das Buch macht süchtig.

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