Eva Baronsky: „Die Stimme meiner Mutter“

Die Stimme einer berühmten Sängerin erklingt in diesem Roman durch eine kunstfertige Perspektive und die vermeintliche Opern-Diva wird privat. Gleich am Anfang des Buches, beim gemeinsamen Essen, wird jenes Begreifen deutlich, dass die Vorbereitung ist auf die kommenden Handlungen. Maria Callas schaut von ihrem Teller auf, blickt in das Gesicht ihres Mannes und erkennt in ihm lediglich eine Fratze. Der ganze Ruhm, den sie erlangte, wirkt wie ein Füllstoff ihres Lebens. Füllmaterial für jene innere Leere, die eigentlich die Liebe erfüllen sollte.

Maria Callas, eigentlich Maria Anna Sofia Cecilia Kalogeropoulou, war eine berühmte amerikanische Sängerin griechischer Abstammung und eine der bedeutendsten Sopranistinnen des 20. Jahrhunderts. „Die Stimme meiner Mutter“ stellt aber keinen Biographie-Roman dar, sondern füllt einen Moment dieser großen Frau mit Leben. Es geht um die Schiffspassage von Monte Carlo nach Istanbul. 1959 sind Maria Callas und ihr Ehemann Giovanni Battista Meneghini von Aristoteles Onassis, einem griechischen Milliardär, eingeladen worden. Die Kreuzfahrt auf der Luxusyacht „Christina“ des Milliardärs wird drei Wochen dauern. Diese Reise wird für alle Beteiligten das Leben verändern und für Skandale sorgen.

Maria Callas ist zu jener Zeit eine der berühmtesten Sängerinnen der Welt. Viele Arien und Opern hat sie bereits gesungen und ihr Stimmumfang ist legendär. Ihr Tonumfang umfasst drei Oktaven. Ihr Mann, ein Unternehmer und Industrieller, fördert sie. Doch verblasst die Liebe zunehmend, sofern es überhaupt Liebe war. Sie gilt als Star und hat auch ihre Schattenseiten. Durch ihre Absage eines weiteren Auftritts in einem Veranstaltungssaal, den sie nicht besprochen meinte, der aber wohl vertraglich fixiert war, gerät sie in die Schlagzeilen und ihr haftet fortan etwas von einer Diva an. Maria Callas wurde durch Elsa Maxwell mit Aristoteles Onassis bekannt gemacht und somit kam es zu jener Einladung zu der Kreuzfahrt.

Der Tag der Abreise wird jener Moment, der das hadernde Innenleben von Maria Callas bestärkt. Ihren Mann empfindet sie als Ballast und sie erträgt ihn nur noch schwer. Er schmückt sich mit ihr und ist in ihren Augen ein selbstüberschätzter Mann. Er wiederum vermisst ihre Dankbarkeit. Sie sehnt sich nach Liebe und jemand einfühlsamen. Ihr Ehemann will auch nicht verstehen, dass es nicht sie beide sind, die in der Gesellschaft gefragt sind, sondern sie, die Sängerin. Doch ist dies auch nur eine weitere Rolle in ihrem Leben, denn sie ist sehr verletzlich und auch introvertiert. Wer könnte darüber nicht besser berichten als ihr Kind. Dies ist die ungewöhnliche Erzählstimme des Werkes, ihr ungeborener Sohn. So schafft dieser Roman durch diese intime Nähe eine sehr lebendige Maria Callas. Der damalige Skandal war ihr kurzweiliger Glücksmoment. Ihre erblühende Liebe zu Onassis, der ihre Gefühle erwidert. In Onassis findet sie vorerst einen Partner, demgegenüber sie sich öffnen kann und auch ihre verletzliche Seele zeigen darf. Sie geben sich schnell ihrer Liebe hin ungeachtet ihrer jeweiligen Ehepartner, die mit am Bord sind.

Der Roman beginnt großartig und hält die Neugier und Spannung bis zum Ende. Alles erwacht in diesem Buch zum Leben, die Protagonisten, das Gefühlschaos und auch das ganze Setting. Die Ägäis, die strahlende Sonne und das Prickelnde im beschriebenen Luxusleben und in der Liebe. Maria Callas, ein Name, der für Musik, Arien, Opern, aber auch für Skandale und Niederlagen steht, bekommt durch diesen wunderbaren Roman ein neues Gesicht.

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3 Kommentare

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3 Antworten zu “Eva Baronsky: „Die Stimme meiner Mutter“

  1. Oh, das klingt exakt nach meinem Geschmack und ich mochte schon „Herr Mozart wacht auf“ von Eva Baronsky sehr. Danke für den Tip, das wäre mir sonst vermutlich entgangen!

  2. Pingback: La Divina – ganz menschlich – Kulturbowle

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