Marianna Kurtto: „Tristania“

Eine vulkanische Pirateninsel als Handlungsort des Romans, der die Figuren auf eine innere Irrfahrt schickt. Es geht ums Ankommen und Heimat finden  – in der Landschaft, dem Land und innerhalb der Familie. Stets lauert in den Zeilen etwas Verborgenes. Etwas, das unter der Oberfläche versteckt ist. Ob es aber ein Schatz oder vernichtende Lavaströme sind, wird sich während des Handlungsverlaufs zeigen.

Durch den Perspektivenwechsel und in einem verzaubernden literarischen Rhythmus baut sich langsam ein ganzes Universum auf, das auf einer kleinen Insel im südlichen Atlantischen Ozean angesiedelt ist. Mit einer gekonnten Reduktion wird ein stiller und beeindruckender Roman erzählt, in dem die Charaktere vor einer kargen Kulisse auf mehrere Ausbrüche zusteuern.

Die meisten Menschen führen ein bescheidenes Leben in der rauen Natur. Die althergebrachten Lebensgewohnheiten treffen auf die moderne Entwicklung, die sich auf der Insel nur erahnen lässt. Viele wünschen sich ein anderes Leben und träumen sich von der Insel fort. Lars verlässt oft die Heimat und fährt als Fischereihändler raus. Auch reist er häufig in das ferne England und in London erspürt er einen Neuanfang, als er Blumen für seine Frau kaufen möchte. Er verliebt sich neu und verschwindet einfach. In seiner Heimat, auf der Insel, lässt er somit seine Frau und seinen Sohn Jon zurück. Martha, die Lehrerin von Jon, träumt auch von etwas anderem. Sie schaut den Schiffen hinterher und will am liebsten mit diesen weg. Sie ist mit Bert verheiratet, der anscheinend das einfache Leben für sich akzeptiert hat. 

Lise, Lars Frau, wartet auf dessen Heimkehr. Als dieser nicht kommt, muss sie mit Jon das Leben alleine meistern lernen. Im Roman brodelt beständig etwas im Untergrund. In den Beziehungen zueinander, in der Gesellschaft und letztendlich in der Erde. Die Handlung spielt um den Schicksalsmoment, der die Insel Tristan da Cunha im Oktober 1961 erschüttert. Am 8. Oktober 1961 bricht der Vulkan aus und es kommt zu Erdbeben, Felseinstürzen und Lavaströmen. Können alle gerettet werden, besonders Jon, der plötzlich verschwunden ist?

Die Menschen sind alle mit der Insel verbunden. Sie werden durch die Erdaktivitäten und die persönlichen Wünsche auf die Probe gestellt. Die Familien zerreißen und müssen sich neufinden. Das Besondere am Buch sind die Lebensumstände auf der rauen und kargen Insel mit ihren steinigen Wegen. Im Handlungsverlauf wird einiges lediglich angedeutet, manches sogar ausgespart, dies macht die Kluft innerhalb der Gemeinschaften und letztendlich auch in der Natur deutlich. Die Entbehrungen, das Sehnen und die inneren und äußeren Explosionen setzen den Spannungsbogen. Die einzelnen Geschichten bewegen und werden durch eine bildreiche und zart poetische Sprache getragen. Der Handlungsort, der an Piratengeschichten erinnert, wird zum Schauplatz des stillen, melancholischen und wunderschönen Romans. Es ist das erste Werk der finnischen Autorin Marianna Kurtto, das ins Deutsche übertragen wurde. Die wunderbare Übersetzung stammt von Stefan Moster.

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