Ingebjørg Berg Holm: „Wütende Bärin“

Die Natur als bildreiche Kulisse eines Familienthrillers. Der zermürbende Kampf zwischen Mutter und Vater um das Sorgerecht des gemeinsamen Kindes, der berufliche Werdegang und das Tierische im Mann. Die Frauen treten nicht als Opfer auf, geraten aber durch das egozentrische und toxische Auftreten eines Mannes in Schieflage.

Der Beginn setzt gleich einen Spannungsbogen und die darauffolgende Notlage, die aus Sicht der Frauen beschrieben wird, wird dadurch immer drastischer. In der Eiswüste liegt eine Leiche. Die Schneeschicht verweht und lagert sich um den toten Körper. Wird der Kadaver durch das Wetter und den Niederschlag verdeckt oder kann ein Raubtier, zum Beispiel ein Eisbär, das verwesende Fleisch vorher wittern? Im anfänglichen Bild bleibt auch das Giftige und Unzerstörbare, hier der Plastikschutz des Thermoanzugs, übrig. Das Natürliche vergeht innerhalb der Natur. Doch schafft der Mensch es immer wieder, seine Spuren dem Umfeld aufzudrücken. Dies gilt global, das heißt im Makrokosmos, wie innerhalb der kleinsten Gruppe, der Familie, dem Mikrokosmos.

Wie brüchiges Eis sind die Beziehungen der Protagonisten. Nina und Njål arbeiten als Forscher zusammen an einem Projekt. Sie haben eine gemeinsame Tochter, Lotta. Das Kind war anfänglich die feste Bindung zwischen den Eltern. Doch wird es immer eisiger zwischen den Fronten. Sie leben nebeneinander, aber lange nicht mehr miteinander. Die Beziehung zerbricht und sie kämpfen um das Sorgerecht. Nina, die eigentlich nie Kinder wollte, muss sich den gewieften Manipulationen ihres Mannes bei den Schlichtungsversuchen stellen. Auch in der Forschung und bei den Publikationen und einem prestigeträchtigen Auftrag konkurrieren beide. Beide sind aber bereit, das Kind jeweils in Ihren Lebensmittelpunkt zu stellen. Die Geschichte wird aus drei Hauptperspektiven erzählt. Die von Nina, von Njål und von dessen Ex-Frau Sol. Sol, die von Njål verlassen wurde, weil sie keine Kinder bekommen konnte, ist als Seelsorgerin tätig.

Njål sieht sich als ein Wikinger, der gleichfalls in der Moderne zuhause ist. Er lebt und zelebriert alte Kulte, die voll Männlichkeit strotzen. Seine Weltsicht ist eng an sein Selbst gebunden und sein Denken und Handeln kreist meist um sein eigenes Wohl. Somit ist seine Sprache und sein Einfluss stets fern des Einfühlsamen, sondern eher manipulativ und aggressiv. Seine Beziehung zu Sol und nun die zu Nina zerbricht wie dünnes Eis.

Die Umgebung der Handlung ist die erbarmungslose Natur und hier mündet letztendlich der Verlauf. Das Kalte und die Dunkelheit des hohen Nordens kriechen in die jeweiligen Seelen. Ein erbitterter Kampf um das Miteinander und um das Leben beginnt. 

Ein psychologischer Roman, der die Kälte spürbar macht. Die Körperlichkeit steht anfänglich im Vordergrund und gräbt sich dann immer tiefer in die Sehnsüchte und Verletzungen der drei Perspektiven. Es ist der dritte Roman der norwegischen Autorin und ihr erstes Werk, das ins Deutsche übersetzt wurde. Aus dem Norwegischen übersetzt von Gabriele Haefs und Andreas Brunstermann.

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