
Ein ganz feinfühliger und wunderschön erzählter Roman. Es geht um die Brüchigkeit im Leben und um die Momente, die eine Biographie verschieben, abzweigen lassen oder sogar den Menschen ins Wanken bringen. Der Horizont als Ziel und Orientierungspunkt kann durch kleinste Verschiebungen lebensverändernd sein. Die sensible Heldin des Buches baut sich eine Bilderwelt auf und wendet sich oft in ihr Innerstes und versteckt sich selbst in lediglich empfundene Tarnkleidung.
Es ist die Geschichte von Ada, die als junges Mädchen bei ihrer Großmutter aufwächst. Warum, erzählt ihr lange keiner. Sie empfindet sich dadurch als nicht gewollt und abgeschoben und ist stets eine Fremde, wenn sie ihre Eltern und ihre jüngere Schwester besucht. Doch ist die Großmutter immer für sie da und gibt ihr ein Zuhause, in dem sie das Schöne für sich entdecken lernt. Doch das Familiäre, die menschliche Nähe und Liebe fehlen ihr. Ihr Horizont verschiebt sich zum ersten Mal in einer starken Böe, als ihre Schwester sie sogar in der Schule verleugnet.
Halt findet sie im Umfeld der Großmutter, die als Schneiderin tätig ist. Die vielen bunten Stoffe mit ihrer wärmenden, anschmiegsamen oder kühlenden Wirkung auf der Haut, eröffnen ihr eine bisher verborgene Welt. Wenn die Hausaufgaben gemacht sind, darf sie mit der Großmutter das Nähen lernen. Bei Familienfeiern oder Zusammenkünften wird Ada stets als Sonderling behandelt und sie grenzt sich immer weiter ab. Ihr Vater versucht sie oft zu manipulieren und zu beeinflussen, bis Ada erfährt, dass es wohl gar nicht ihr Vater ist. Die Mutter, die sich meist betrinkt, ist nicht zurechenbar in der Erziehungsfrage und hinterlässt bei Ada stets ein verstörendes Bild.
Zum Glück hat die Großmutter das Sorgerecht, denn somit kann Ada als Statistin am Theater arbeiten. Ihre Eltern wollen ihr auch dies verbieten. Als sie mit der Schule die Inszenierung von Antigone sieht, öffnet sich für sie eine neue Welt. Das Theater zieht sie in den Bann und als sie bei einer Shakespeare-Aktion Freikarten gewinnt, wird ihr Wunsch am Theater zu arbeiten immer deutlicher. Die ersten Erfahrungen sammelt sie als Statistin und gerät dadurch immer mehr in die Kunstwelt. Die Bühne, die Kulissen und besonders die Kostüme mit ihren schönen Stoffen, verführen sie gänzlich und sie wird später eine erfolgreiche Kostümbildnerin.
Doch wird sich in ihrem Leben immer wieder der Horizont verschieben. Das Fehlen der menschlichen Nähe und die Unfähigkeit der Umarmung sind ein schmerzhafter Wegweiser ihres Lebens. Sie wird mit jedem Wendepunkt stärker und meistert viel Unwegsames, doch sind ihre Schwächen beständige Begleiter. Durch die geschichtlichen und politischen Ereignisse wird das innere und äußere Leben vieler Menschen ins Beben gebracht und erneut verschieben sich die Horizonte, auch die von Ada.
Ein wunderbarer Leseschatz, der tiefgründig und facettenreich ist. Die Figurenzeichnung ist sehr empathisch und Ada wächst beim Lesen immer mehr ins Herz ihrer Zuhörer. Die Schönheit, die neben den Schmerzmomenten immer mehr an Wichtigkeit erlangt, wird sinnlich und kunstvoll in Literatur verwandelt. Ein Debütroman einer Künstlerin, die auch das Titelbild gemalt hat, wird hoffentlich viele begeistern.
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Wunderbare Beschreibung, die dazu motiviert das Buch sofort zu kaufen. Bin schon sehr gespannt darauf, es zu lesen. Danke.
Vielen Dank! Ich wünsche erlesene Stunden und sende herzliche Grüße