Ana Marwan: „Verpuppt“

Ein subtiles Vexierspiel um eine junge Hauptfigur, die mit sich und der Welt ringt. Ein literarisches Spiel um Wahrheit, Liebe und die eigene Geschichte. Eine Liebes- und Freundschaftsgeschichte zwischen der außergewöhnlichen und  jungen Rita, die eine blühende Fantasie besitzt, und dem dreißig Jahren älteren Jež. Rita kommt nicht zurecht mir ihrer Welt und schreibt und verwirrt uns durch ihre Worte und die Ungenauigkeit des Ortes, von dem aus sie berichtet.

Ana Marwan wurde 1980 in Slowenien geboren, studierte Literaturwissenschaft und Romanistik und lebt in Wien. 2022 gewann sie den Bachmann-Preis. Ihr Debütroman „Der Kreis des Weberknechts“ ist belebt von skurrilen Figuren und  ist ein schöner, kluger und ironischer Lesespaß. Mit „Verpuppt“ hat sie erneut einen Roman über die Muster des Zwischenmenschlichen geschrieben. Mit sehr viel Beobachtungsgabe, Sprachgefühl und Humor beleuchtet die Autorin das Wechselspiel innerhalb von Beziehungen. Ihre Literatur schaut genau hin, erzählt viel und ist dabei handlungsarm. Dies macht gerade den Reiz dieser Werke aus, die ein großes Lesevergnügen sind. Der Text von „Verpuppt“ lügt und erzählt dadurch die Wahrheit. Mit sehr viel Feingefühl, Sprachwitz und Situationskomik entpuppt sich das Verwirrspiel. Auch der Titel ist ein Sprachspiel aus einer Umwandlung, einem Rückzug oder einer Verniedlichung. Der Mensch als Puppe. Ana Marwan hatte ihren Debütroman auf Deutsch geschrieben. „Verpuppt“ hat sie in Slowenisch verfasst und übersetzt wurde der Roman von Klaus Detlef Olof.

In diesem Roman kommt die Erzählerin zu der Erkenntnis, dass der Mensch sich als Nichts und gleichzeitig als Mittelpunkt der Welt empfinden kann. Die Mitte ist stets ein Punkt und das darum liegende Umfeld ist ein Gefäß, das sich durch Erlebtes und Beziehungen füllt. Dieses Füllmaterial ist aber sehr fluktuativ. Rita schreibt im Auftrag oder um der inneren Leere, der Langeweile zu entkommen. Sie hat Aufgaben, die sie schriftlich fixiert. Sind dies Beobachtungen, Träume oder gestaltete Wahrheiten? Sie verpuppt sich und ihr Umfeld in Worte. Kann man diesen Worten trauen? Spielt sie mit einer Therapeutin in einer Behandlung? Auf einem Fest lernt sie Herrn Jež kennen, der, wie sie, im Ministerium für Raumfahrt tätig ist. Seine Ehe ist kaputt. Denn urplötzlich nimmt seine Frau Präservative mit zum Yoga-Kurs. Mit einem Trenchcoat als seine neue Etikette, sucht er den Neuanfang und ist dabei sehr unselbständig und lässt sich noch bekochen. Die jüngere Rita ist ebenfalls in der Entscheidungsfindung und Selbstsuche. Durch das Kennenlernen entwickeln sich fortan beide Geschichten parallel und zusammen. Rita schreibt, fixiert das Erlebte, Erdachte und dehnt die Erzählungen aus. Sind diese überhaupt wahr und gibt es Jež überhaupt? Arbeitet sie im Ministerium oder ist sie in einer Klinik untergebracht?

Ein großes, ironisches und kluges Leseerlebnis. Die Sprache entwickelt sich gleich der Handlung und schmiegt sich um diese. Dadurch kommt es zuweilen auch zu kunstvollen Kreationen. Der Mensch verpuppt sich mehrfach im Leben, lauert und wartet. Wenn er sich entfaltet fühlt er sich neugeboren, doch ist er jemals wirklich frei?

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