Markus Orths: „Mary & Claire“

Ein Werk voller Hingabe zur Literatur, dem Leben und dem unbändigen Wunsch nach Freiheit. Mit „Alpha & Omega“ zeigte der Autor seinen Spaß am tiefgründigen Humor und dem Spiel mit dem Raum zwischen den Wirklichkeiten. Zwischen einer gelungenen literarischen Umsetzung des Requiems, das er mit anderen Autoren verfasste, erweckte er Max Ernst, Stan Laurel und Thomas von Aquin in seinen Werken zum Leben. Stets spielt er mit Fakten und den historischen Lücken, die diese jeweiligen Biographien haben. Auch lässt er seine Charaktere zuweilen in einer verfremdeten oder bizarren Umgebung auftauchen.

Sein neues Werk beleuchtet die Beziehung von Mary Shelley und ihrer Stiefschwester Claire Clairmont. Aber der Blick verweilt nicht nur bei diesen Frauen allein, sondern belebt das Umfeld und Wegbegleiter ihres Lebens und Schaffens. Dargestellt oft im Bild der Dreierbeziehungen. Die Halbschwester, von der jungen Mary Geist genannt, taucht auf und später natürlich Percy Shelley und Lord Byron.

Früh kommt Mary mit der Kraft und Wirkung der Literatur in Berührung. Ihr Vater ist Schriftsteller und ihre Stiefmutter betreibt eine Buchhandlung. Im Roman erfährt sie als Kind durch das Epos „The Rime of the Ancient Mariner“ von Samuel Taylor Coleridge, dass Sprache und Geschichten Menschen zum Zuhören zwingen können und sie ihrer tatsächlichen Umgebung berauben. Seitdem gibt sie sich kontinuierlich ihrer Phantasie hin und erfindet fantastische Geschichten. Ihr Weltruhm basiert auf ihrem Roman „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“. Das unheimliche und stimmungsvolle Grauen schleicht sich auch in diesen Roman subtil ein. Die Einstiegsszene spielt zum Beispiel auf einem fröhlichen Friedhof. Immer wieder taucht das Vergängliche in Marys Leben auf. Eine Melancholie umschwebt Mary, denn der Tod ihrer Mutter im Kindsbett beschäftigt sie sehr. Aber dem Düsteren stehen stets der Lebenshunger und der Freiheitsdrang gegenüber. Besonders durch die überspannte und liebenswerte Claire, die sich ihren Namen selbst gegeben hat. Beide Schwestern sind durch den wohl berühmtesten Schreibwettbewerb bekannt. Oft schon besprochen oder sogar verfilmt wurde die Schreibgemeinschaft am Genfer See, aus der Frankenstein hervorging. Die Entstehungsgeschichte dieser Weltliteratur ist schon besonders und regt die Phantasie an. Doch geht es im Roman mehr um die Menschen, um Lebenswege, Beziehungen und um das Familiäre, das Mary durch die Stiefmutter die kalte Schulter zeigte. Später kommt die Liebe hinzu, die Leidenschaft und Liebe zu Percy. Doch auch Claire empfindet etwas für Percy und die Frauen entfliehen mit ihm dem Bürgerlichen auf der Suche nach ihrer Freiheit, Geschichte und Literatur.

Ein sprudelnder Roman voller Ideenreichtum, Tiefgang und Humor. Markus Orths schreibt über die Menschen, die wirklich gelebt haben. Dabei ist das Bekannte lediglich ein Gerüst, um das Markus Orths das Unbekannte, das Verborgene und das Phantastische aufzieht. Im Mittelpunkt stehen dabei immer die Stiefschwestern, die sich im Leben und in der Literatur befeuerten. Eine romantische, enthusiastische Geschichte, die wie eine humorvolle Vanitas aufgebaut ist und die Liebe und die Literatur um besondere Persönlichkeiten der Literaturgeschichte beleuchtet. Die Charaktere und die damalige Zeit werden im Text sehr lebendig, denn Markus Orths ist erneut ein großartiger, bildreicher Roman gelungen.

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