Das kleine Buch „Ein ganzes Leben“ von Robert Seethaler hat seinen Titel zu Recht und es birgt in sich die Fülle eines Romans, die andere Autoren meist nur in einem dicken Wälzer ausleben können. Seethaler beschreibt mit einer Leichtigkeit einen ganz erfüllten Lebensbogen mit allen seinen Tiefen und Höhen.
Ein tolles Buch, das gleich zu Beginn der Geschichte aufzeigt, daß es kein leichtes Leben für den Protagonisten, Andreas Egger, werden wird.
Nichts in diesem Text wirkt aufgesetzt oder gekünstelt. Es ist ein dünnes Buch mit gerade mal 155 Seiten in denen ein ganzes Leben steckt, das mich als Leser sehr begeistert hat.
Der Kreislauf des Lebens beginnt an dem Tag, als Egger den sterbenden Ziegenhirten, genannt der Hörnerhannes, in das Tal tragen möchte, dieser aber dem Tod von der Schippe springt und Egger im Tal zum ersten Mal vor Marie steht, der Liebe seines Lebens.
Egger ist als vierjähriger Junge in dieses kleine Tal irgendwo in den Alpen gebracht worden. Der Bauer Kranzstocker nimmt ihn nur wegen der Geldtasche, die ihm um den Hals gehängt wurde, als Hilfsknecht auf seinem Hof auf. Egger wird sehr schlecht behandelt und so sehr geprügelt, daß er sein ganzes Leben lang hinken wird.
Trotz seiner Behinderung wird aus dem Jungen im Laufe der Zeit als Knecht ein starker Mann, der seine Rolle im Leben verstanden hat.
Später schließt er sich einer Gruppe von Seilbahnarbeitern an, die die ersten Bergbahnen bauen und mit der Elektrizität auch das Licht und den Lärm in das Tal bringen. Er heiratet Marie, die er jedoch bald wieder verlieren wird. Aber sie bleibt für immer in seinem Herzen.
Viele Jahre später, nachdem er Lawinenunglücke, den Krieg und russische Gefangenschaft überlebt hat und die Welt längst eine andere geworden ist, geht Egger seinen letzten Weg und wird ihr noch einmal begegnen. Eine neblige Szene, die eine „Schimmelreiter-Stimmung“ in die Alpen versetzt.
Der Kreislauf schließt sich mit dem Fund der eingefrorenen Leiche des Hörnerhannes…
Durch das ganze menschliche Drama wandert Andreas Egger mit einer unaufgeregten und charakterstarken Natürlichkeit, so dass man als Leser staunend das Buch schließt und am Ende glücklich ist, an diesem ganzen Leben teilgehabt zu haben.
Wenn man die letzte Zeile gelesen hat, spürt man die zarte Traurigkeit, aber auch die Hoffnung, etwas von dem stillen Leben von Andreas Egger möge am Leser hängen bleiben….
Pingback: „Frommes Elend“ | leseschatz
Pingback: Ein Rückblick… | leseschatz
Pingback: Robert Seethaler: Ein ganzes Leben | SchöneSeiten
Pingback: Petri Tamminen: „Meeresroman“ | leseschatz