‚5 Blicke ins Buch‘

Ein Rückblick auf die Veranstaltung am Freitag, 17.10.2014 im Statt-Café / KulturForum Kiel

cache_2446735464

Der Gastgeber Timo Off sprach über Bücher und führte mit kurzen, netten und sehr persönlichen Moderationen durch den Abend.

Timo

Seine Gäste waren alles Menschen, die eines gemeinsam hatten, die Liebe zum Buch. Als erster Redner sprach Björn Högsdal als Poetry Slammer. Seine Ausführungen boten einen guten Einblick in die Kunst des gesprochenen Wortes, das auf der Bühne eine andere Gestalt annehmen kann als in gedruckter Version. Friederike Moldenhauer regte an, sich Gedanken zu machen, warum wir lesen, was wir lesen und „wie finde ich das richtige Buch für mich?“ Tim Eckhorst führte uns kurzweilig in die Kunst der Comics ein und als letzter Redner sprach der Kieler Autor und Lyriker Arne Rautenberg.

Als dritter Redner, vor Arne Rautenberg, sprach ich über meine Leidenschaft zu Büchern und darüber Buchhändler zu sein.

Ich

Hier nun mein Text, den ich mehr oder weniger so vorgetragen hatte:

„Vielen Dank für die Einladung!

Meine Name ist Hauke Harder und der nordische Name mit dem literarischen Bezug wurde mir von meinen Eltern wohl auch zur Liebe zu guten Geschichten mitgegeben. Ich bin gelernter Buchhändler und habe mich vor drei Jahren mit meiner Frau Sonja selbstständig gemacht. Wir sind die Inhaber der Buchhandlung Almut Schmidt in Kiel (Pries-Friedrichsort). Diese Buchhandlung haben wir übernommen und führen diese im klassischen Sinne einer guten Buchhandlung weiter.  Bei uns soll sich jeder wohlfühlen, der auf der Suche nach einer guten Geschichte ist. Ob Jung oder Alt…

Was ist die Aufgabe eines Buchhändlers in der heutigen Zeit, in der die digitalen Medien so schnelllebig und als schick gelten? Wir sind Medienhändler, d.h. wir vertreiben gute Geschichten. Wir verkaufen nicht nur Bücher und andere Medien. Durch unsere Menschenkenntnis und das inhalierte Wissen aus unzähligen niedergeschriebenen Erzählungen, Geschichten von diversen Autoren und Autorinnen werden wir in jedem Gespräch mit unseren Kunden gefordert, das passende Buch für unser Gegenüber zu finden.  Denn wir sind kein generierter Code, der passend zu vorangegangenen Suchkriterien Verkaufsvorschläge unterbreitet. Wir sind Menschen mit wohl echten Gefühlen, die ihre Liebe und Leidenschaft zum Buch erlebbar machen und erlesene Stunden vermitteln wollen.

Lustiges gibt es im Buchhandel natürlich auch zu erleben. Gerade wenn Kunden mit einer gefestigten Sicherheit ihr Titelwissen präsentieren… „Ich Suche das Buch: `Flusstroll´“…. Oder „Ich hätte gern: `Muttis Asche´…. oder auch „Können Sie mir helfen?… Ich hätte gerne „Charme im Darm“. Klar – schnell finde ich das gewünschte Buch, Sei es „Frostkuss“ oder „Die Asche meiner Mutter“ oder „Darm mit Charme“. Der Kunde der noch bei den Kriegerinnen aus dem Amazonas sucht findet leider nur folgendes:

Treffer Muttis Asche: „Lied der blauen Frösche“ von Christel Lehmann,  „Drei Wege – ein Ziel – Überleben“ von Barbara Kohout, „Eure Ahnen in Schlesien und Pommern“ von Rita Jarmer, „Ich älteste Tochter: Tagebuch einer 12 – 16 Jährigen“ von Thea Robinson

Treffer Flußtroll: „Warhammer“ von unbekannt. Spiel. Neu – d.h. bei Amazon nie neu, sondern neuwertig: für 63.76€

Wie man sieht, haben wir Buchhändler etwas mehr Kombinationstalent, emotionale Intelligenz und recherchieren einfach besser… Auch sind die Bestellungen bei uns schneller…. Bis 17:30 Uhr bestellt – meistens nächsten Morgen da!

Lustig finde ich auch, wenn ein Kunde ein Buch bei der Amazone bestellt, es dann aber, weil wir gute Nachbarn sind und Pakete annehmen, es doch auch wieder in einer Buchhandlung abholt…

Oft werde ich auch gefragt, was ein guter Roman ist. Individuell ganz einfach beantwortet: er muß mir gefallen…  Er sollte mich emotional packen und eine gute Geschichte beinhalten, die mir eine ganze neue Welt öffnet.  Die Sprache ist mir wichtig, aber wenn es Titel sind, die mit einer wunderbaren Sprache geschrieben, aber wenig Inhalt haben, bin ich auch gelangweilt. Es muß stimmig sein.

Ein Buch kann ein Leben verändern. Wir wissen aus der Physik und den spirituellen Lehren, daß unsere äußere Welt der Inneren gleicht. So kann eine neue Sicht mein Umfeld verändern. Ich kann nicht die Welt verändern, ich kann nur mich ändern. Meistens reicht ein kleiner Anstoß. Diese Anregung kann ich durch einen schönen, klugen Satz finden oder durch ein ganzes Buch, denn jeder Text birgt in sich die Möglichkeit, meine Sicht auf die Dinge zu erneuern. Doch muß man auch Geduld haben, denn nicht jedes Buch spricht mich an oder ist für mich zu dieser Zeit das passende. Aber es gibt Bücher, die meinem Leben mehr geben. Ein alter Zen-Spruch besagt:

„Ein herumirrender Hund wird vom Stock gefunden“.

Ich muß aktiv sein, aber das Ziel und das Wissen sind da und es kommt passend zu mir. Hierzu fällt mir noch ein Lehrspruch ein:

„Das Gras wächst nicht schneller, wenn ich daran ziehe“.

Es ist schön, in unserem Beruf zu erleben, wenn gerade junge Leser dies zum ersten Mal erfahren. Das Buch, daß sie gefunden haben und sie so sehr begeistert, daß sie ihr Umfeld anstecken wollen. Ich erinnere mich gut an diese Momente. Es kann ein guter Unterhaltungsroman sein, der mich so sehr berührt, daß ich mehr verstehe und empfinde. Eine neue Welt kann sich mir öffnen. Bücher schaffen es, in uns neue Welten zu erschließen.

Ich gestehe, ich liebe auch Filme und Serien, aber es sind die Bücher, die mich innwendig ergreifen. Das Sehen ist eine außengekehrte Sicht. Ebenfalls denke ich dies auch über die neuen Lesegeräte, die durch ihre diversen Funktionen eher vom Ursprung des Erfassens ablenken könnten.

Man muß nicht wie ich ein großer Freund von spirituellen Texten und Lehren sein, aber daß ich meine Welt und mein Umfeld selbst gestalte, sollte dennoch jedem geläufig sein. Daher empfehle ich heute das Buch: Denn jedes Buch öffnet neue Welten und Ansichten…

Neulich habe ich in einem Wirtschafts-Magazin lesen dürfen, das der Verkauf, d.h der Handel in einem Ladengeschäft „voll“ Mittelalter sei. Der Urheber dieses Geistesblitzes wünscht sich bestimmt eine Zukunft mit leeren Städten, in der wir alle Handhabungen, Einkäufe und Arbeiten liegend vor einem Monitor erledigen, gleich den prachtvollen Menschen bei Wall-E. Ebenso habe ich gelesen, E-Books sollen billiger werden als gedruckte Bücher, die zum Glück der Preisbindung unterliegen. Denn digitale Bücher benötigen „weniger“ Material. Wert bemessen am Materialeinsatz? Ist Kultur nur noch das Wert? Jürgen Vogel sagte mal in einer Talkshow, er mache Filme für Kinogänger. Diese machen sich extra auf den Weg ins Lichtspielhaus und würdigen damit schon in gewisser Weise seine Arbeit. Ebenso lebt auch das Theater von seinen Besuchern und ich zahle gerne den Eintritt, der sich hoffentlich nicht nur nach der Länge des Stückes und der Requisite richtet… Neulich habe ich den Werbespot von Bono & Co im Fernsehen sehen dürfen… Länger ist mir bekannt, dass die Band, die ich eigentlich mag, sich neuerdings für den Erhalt von Äpfeln einsetzt und ihr Album an Obstesser verschenken. Herbert Grönemeyer sagt wahre Worte: „So eine Aktion von einer so großen Band, die alle Millionäre sind, ist respektlos gegenüber den hart arbeitenden Kollegen.“ Dies gelte gerade in heutigen Zeiten, in denen es darum gehe, der Musik wieder einen Wert zu geben.

„Kunst ist schön. Macht aber viel Arbeit.“ behauptete bereits Karl Valentin.

Aber nicht nur die schönen Obstsorten, sondern auch die wilden Krieger aus der wohlbekannten Flussregion preschen vor… Jetzt kommt sie, die Flatrate für digitale Bücher in Deutschland… Endlich E-Books im Abo… Aber wer will das alles Lesen, denn es sind bisher nicht die renommierten Verlage dabei. Jetzt kommt sie, die Schwemme an Werken von Autoren, die sich nur selber so nennen und endlich fröhlich publizieren können.

„Der Leser hat’s gut: Er kann sich seine Schriftsteller aussuchen.“ (Kurt Tucholsky).

Später ist wieder der Buchhändler gefragt, denn wir sind echte Menschen, die noch als Leuchttürme im Büchermeer agieren. Denn eine Wand mit Büchern ist ein zeitloses Design.

„Ein Haus ohne Bücher ist arm, auch wenn schöne Teppiche seinen Boden und kostbare Tapeten und Bilder die Wände bedecken.“ (Hermann Hesse)

Denn für mich sind Songs und gute Geschichten Kunst, die für mich auch einen Gegenwert haben dürfen. Autoren, die vom Schreiben leben wollen, brauchen Verlage, die ihnen ordentliche Honorare und Vorschüsse bezahlen. Sie benötigen Buchhändler, die mit Leidenschaft über ihre Werke sprechen und verkaufen. Ich bin ein Leuchtturm im Büchermeer. Bei rund 90.000 Veröffentlichungen jährlich ist es gar nicht so einfach, die wirklich tollen und lesenswerten Bücher herauszufischen! Ich möchte Sie für tolle Geschichten begeistern. Ich verkaufe Bücher aus Liebe zu diesem Medium und berate mit großer Freude in unserer Buchhandlung. Uns Buchhändler zeichnet die Beratung aus. Unsere Kunden möchten unsere Meinung zu den Titeln wissen.  Wenn ich ein Buch nicht mochte, sei es ein Bestseller, Preisträger o.ä. und ich persönlich nach meiner Meinung gefragt werde, spreche ich über mein individuelles Leserlebnis, denn dieses möchten unsere Kunden hören. Es bereitet mir unglaublich viel Freude, Buchliebhaber durch ein Gespräch zu dem passenden Buch zu führen.

Ich denke, das ein Buch erst als gedrucktes Buch erfasst werden kann. Der Geruch, das Papier, das Layout … die ganze Handerotik macht ein Buch viel erlebbarer als jede Datei, die man gleich den Puppen bei Momo nicht lieb haben kann… Dennoch bin ich selber ein Medienjunkie und mag die neuen Medien und verdamme diese nicht. Ich nutze sie als eine Hilfe und als ein Kommunikationsmittel um aber auf die herkömmliche Art auf die Erzählkultur aufmerksam zu machen. Denn sonst wäre ich auch nicht hier. Würde mein Blog „Leseschatz“ nicht gelesen werden, meine gezwitscherten Buchtipps auf Twitter und unsere Lesetipps auf Facebook nicht wahrgenommen werden, hätte der heutige Gastgeber mich wohl nicht kennen gelernt und mich nicht eingeladen.

Ich bedanke mich sehr für die Möglichkeit, hier zu sprechen und hoffe, Sie für den klassischen Buchhandel begeistern zu können und hoffe, Sie haben mal das Interesse, uns kennen zu lernen. Wir freuen uns auf Sie….

Vielen Dank!“

2 Kommentare

Eingeordnet unter Erlesenes

2 Antworten zu “‚5 Blicke ins Buch‘

  1. Pingback: Petra Hartlieb “Meine wundervolle Buchhandlung” | leseschatz

  2. Pingback: Ein Rückblick… | leseschatz

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s