Gleich den Goldgräbern in diesem Roman schürft man als Leser in den Geschichten, um die Wahrheit zu finden. Die Suche nach Gold, d.h. der Clou der Geschichte entwickelt sich und entfaltet eine enorme Sogkraft. Das Buch, das nun auf Deutsch vorliegt, wurde in der Presse bereits mit vielen Superlativen gefeiert. Dieser sehr umfangreiche Roman, der klug komponiert ist, wurde bereits mit dem Booker-Preis ausgezeichnet. Somit ist die 28 Jahre junge Neuseeländerin Eleanor Cotton, die jüngste Booker-Preisträgerin aller Zeiten.
Die Handlung spielt in Neuseeland in Hokitika Mitte des 19. Jahrhunderts. Es ist die Zeit des Goldrauschs. Die Stadt wuchs, als ein Spediteur die optimale Lage entdeckte und somit den Hafen und das Land belebte. Immer mehr Menschen suchen hier nach Gold, das es angeblich zu Hauf geben soll. Gerade die europäischen Einwanderer lockt das Edelmetall. Diese Greenhorns werden von den Einheimischen, die den Goldrausch bereits entmystifizierter betrachten, als Gäste, aber zu Teilen mit belustigtem Auge, aufgenommen. So auch der Schotte Walter Moody, der nach langer Überfahrt in Hokitika landet. Er logiert in einem Hotel und möchte nach der strapaziösen Reise endlich wieder flüssiges Gold zu sich nehmen und stößt im Raucherzimmer des Crown Hotels auf zwölf Männer, die sich fremdartig benehmen. Diese hatten eigentlich dafür gesorgt, dass ihre Versammlung ungestört bleibt, doch den Gast des Hotels haben sie übersehen und Walter Moody wird in rätselhafte Vorgänge einbezogen. Bei seinem Erscheinen benehmen sich alle im Zimmer sehr merkwürdig und er wird fast schon unhöflich ausgefragt, bis er das Vertrauen der zwölf Männer gewinnt. Alle dieser Männer sind auf die eine oder andere Weise in sonderbare Vorfälle verwickelt, die sich zugetragen haben: Ein Einsiedler wurde tot sitzend in seiner Hütte gefunden, eine opiumsüchtige Prostituierte hat versucht sich umzubringen und lag bewusstlos auf der Straße. Ein reicher Mann mit Goldgräberglück ist verschwunden und ein in der Stadt bekannter Säufer ist auf einmal zu Geld gekommen. Jeder der zwölf Männer scheint in diesem Netz von Geschichten und Verbrechen verwickelt zu sein. Über allem steht eine Liebesgeschichte zweier Menschen, die um sich kreisen, wie Trabanten und zusammentreffen.
Die Handlung überrascht durch die Zufälligkeiten und Schicksalswendungen. Lag die Geschichte in den Sternen? Denn die Handlung wird in zwölf Kapiteln aus der Sicht der einzelnen Charaktere erzählt und somit vermischen sich die Perspektiven und es ist nicht alles schwarz oder weiß. Einige Charaktere stehen am Ende anders da als anfänglich gedacht. Die Zahl Zwölf ist nicht ohne Grund gewählt, denn die Struktur des Romans folgt der Astrologie. Für die ausufernde Handlung hat Eleanor Catton sich den Himmel über Hokitika zur Zeit des Goldrauschs 1864 – 1868 angesehen und gedeutet. Ihre Figuren stehen für die Sternbilder oder die Planeten und Häuser. Man muss aber nicht die Sprache der Astrologie können, man benötigt keine Vorbildung, um sich in das verrückte Abenteuer zu stürzen. Die Hauptfiguren bewegen sich planetengleich auf vorherbestimmten Bahnen und die Kapitel werden gleich den Mondphasen immer kürzer. Die tatsächlichen Protagonisten sind zudem astrale Zwillinge. Das zentrale Thema ist die Liebe, die Gier nach Gold und Geld. Wahre Liebe ist unkäuflich und Geld ohne Gegenwert ist nichts wert und lieblos.
Ein Roman, der schön geschrieben ist. Man spürt die Lust der Autorin am Erzählen und Fabulieren. Als Leser schürft man mit nach Gold und der Wahrheit und verliert sich ganz in den Gestirnen…
Das ist ja wirklich mal eine neue Heranschreibensweise, die mich sehr anspricht – zumal ich zufällig auch „astrologisch“ sprechen kann …
Danke für die ebenso eingängige wie ausführliche Buchvorstellung!
Liebe Grüße 🙂
Ulrike von Leselebenszeichen
Hallo Ulrike,
vielen Dank für Deine Rückmeldung. Ich spreche die „Sprache“ auch ein wenig und dadurch bekommt das Buch noch mehr Tiefe! Liebe Grüße, Hauke
Ich hatte einst in Erwägung gezogen, neben Buchhändlerin auch noch Astrologin zu lernen, aber es blieb dann bei ausgiebigen Astrologiebuchlektüren, ohne offizielle Ausbildung.
Gleichwohl waren diese freiwilligen Studien eine schöne innere Horizonterweiterung und eben auch eine ganz eigene SPRACHE.
Harmonische Grüße 🙂
Hallo Hauke,
dieser umfangreiche und vielversprechende Roman steht in meinem Bücherregal – bisher noch ungelesen. Ich freue mich auf die Lektüre, habe aber auch ein wenig Respekt vor dem Umfang. 🙂
Die „Sprache“ der Astrologie ist mir völlig unbekannt – ich bin gespannt auf neue Erkenntnisse 🙂 – dafür ist mir der Handlungsort umso bekannter, ich war bereits in Hokitika. Da eine erneute Reise nach Neuseeland weit und kostspielig ist, bin ich froh, diese Reise nun bald lesetechnisch antreten zu können.
Ich danke dir für deine aussagekräftige und gut geschriebene Rezension! 🙂
Liebe Grüße
Tina
Hallo Tina,
vielen Dank für Deinen Kommentar! Ich hoffe, Dir gefällt das Buch! Keine Angst, Du benötigst keine astrologischen Kenntnisse. Ich wünsche Dir viel Freude.
Viele liebe Grüße, Hauke
Dankeschön! 🙂