Botho Strauß: „Herkunft“

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„Herkunft“ fällt aus dem üblichen Kanon der gesammelten Werke von Botho Strauß heraus,  denn es ist anders und doch ein zu erwartendes großes literarisches Werk vom Autor. Das Büchlein ist wohl sein persönlichster Text, denn es erzählt von der eigenen erlebten Jugend, der engen Häuslichkeit und der stets präsenten Rolle seines Vaters. Ein wichtiges und bleibendes Buch, das uns die Herkunft des Autors und seiner Werke nahebringt.

Besonders auffallend ist die schöne, knappe und präzise Sprache. Nichts wird ummantelt oder überflüssig gedehnt dargestellt. Die Sätze wirken gleich einer Statue, die aus einem groben Klotz immer mehr herausgeschliffen wurden, bis nur noch das Wahre, das Wesentliche stehenblieb.

Wir erlesen die 40er- und 50er Jahre. Es ist einer enge, bieder Welt in der Botho Strauß aufwächst. Jetzt, als älterer Mensch, blickt Botho Strauß mit diesem Text zurück und erlebt für uns Leser seine Kindheit und Jugend erneut und schildert diese durch die genaue Darstellung und Sprache sehr nachfühlbar. Sein Blick ist oft auf den prägenden Vater gerichtet, dessen Ansichten, Traditionen und Lebensphilosophie Botho Strauß meist nicht teilt und auch in Frage stellt. Nun im Rückblick erkennt er, dass man in das hineinwächst, was man damals als veraltet empfand. Sein Vater war ein Pharmazeut, der ebenfalls geschrieben hat. Er hat eine eigene Monatsschrift verfasst, die die Mutter, eine Hausfrau, einzutüten hatte. Die Meinungen über Literatur gehen bei Botho und seinem Vater aufgrund verschiedener Sichtweisen weit auseinander. Der junge Botho Strauß ist von Brecht begeistert und wünscht sich, dass sein Vater dasselbe in den Texten findet wie er. Doch der fast schon zu Misanthropie neigende Vater schwört auf Thomas Mann. Im Ersten Weltkrieg hat der Vater ein Auge verloren und sein eigenes Unternehmen wurde ihm genommen, da er in der Besatzungszone als Spion verhaftet wurde. Jetzt leben er und seine Familie in einfachen, aber gut bürgerlichen Verhältnissen.

Die erinnerte Kindheit ist eine enge, biedere Welt, in der man noch höflich ist, grüßt, wenn nicht sogar den Hut voreinander zieht. Wir lernen den jungen Botho kennen, der draußen spielt und sich verliebt. Sein Elternhaus als Herkunft und mit dem Vater als Mittelpunkt der Familie.

In der Gegenwart reist Botho Strauß in seine Vergangenheit, denn die Wohnung der Eltern wird aufgelöst und somit seine Kindheit entrümpelt und sein Zuhause aufgelöst. Ein berührender und literarischer Rückblick. Ein glaubhafter und intimer Roman, der den Weg aufzeigt, den der Autor Botho Strauß genommen hat, um der zu werden, der er ist.

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Eine Antwort zu “Botho Strauß: „Herkunft“

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